Klimawandel als Event – und was dabei übersehen wird

Haben Sie die Klimakonferenz in Paris verfolgt? Nein? Ich auch nicht. Lassen Sie mich raten, warum Sie es nicht getan haben: Weil Sie das soziale Klima, ihre konkrete Umwelt, viel mehr interessiert, als irgendwelche abstrakten Klimaziele für CO2-Werte etc.? Wenn ja, liegen Sie damit völlig richtig. Die so genannte Klimakonferenz hat nämlich mit der Wirklichkeit genauso wenig zu tun wie die Rede des Vorsitzenden der SPD auf dem Bundesparteitag, der ebenfalls am Wochenende zu Ende ging (siehe dazu hier). Dass sich dennoch so viele dafür einspannen lassen – die taz prahlte damit, “zwei Wochen lang vor Ort”, also in Paris zu sein – liegt schlichtweg daran, dass es immer noch sehr vielen Menschen gut geht, einigen sogar zu gut, besonders denjenigen, die sich jetzt als Klimaretter – und Klimaretterinnen, versteht sich – feiern und feiern lassen. Zu denjenigen, denen es zu gut geht, zählt zwar sicherlich nicht der miserabel bezahlte taz-Journalist – und die miserabel bezahlte taz-Journalistin, womit wir jetzt der Emanzipation meinen, in diesem Beitrag Genüge getan zu haben -, wohl aber deren Kundschaft. Es gibt schließlich auch linke Besserverdiener. Aber kann man wirklich links sein, ohne erst einmal das soziale Klima im Blick zu haben? Von der Forderung eines sozialen Klimagipfels habe ich aber noch nicht gelesen oder gehört. Ohne die Verbesserung des sozialen Klimas aber wird sich auch das ökologische Klima nicht retten lassen. Beides ließe sich eventuell auch noch lösen, wenn sich nicht ausgerechnet diejenigen, die sich jetzt für etwas beschriebenes Papier zelebrieren, so konsequent einer ökonomisch-sozial-ökologischen Politik in den Weg stellen würden. Dabei würden sie nicht nur Ihnen und mir einen Dienst erweisen, sondern auch der so genannten Wirtschaft, diejenigen also, die bis heute meinen, uns Arbeit zu geben, obwohl wir es sind, die ihnen unsere Arbeit, zumeist für viel zu wenig Geld, überlassen, wenn sie diese denn von uns nachfragen.

Ökologische Nachhaltigkeit gründet nämlich vor allem auf – und jetzt müssen alle Bioladen-Besucher ganz tapfer sein – technischem Fortschritt, Wachstum und Beschäftigung. Das hat auch viel mit Demokratie zu tun: Denn wie sollen sich die Arbeitslosen und andere sozial Ausgegrenzte denn auch nachhaltig für den ökologischen Klimaschutz begeistern und einsetzen, wenn sie nicht ebenso nachhaltig aus ihrer ganz persönlichen Klimakatastrophe – die natürlich gesellschaftlich, weil politisch verursacht ist – befreit werden?

Das moderne Zeitalter, das so viele, die es reich gemacht hat, nun meinen durch die Tür eines Bioladens verlassen zu können, zeigt nun aber gerade durchaus eindrucksvoll, worauf gesellschaftliche Integration und Wohlstand im weitesten Sinne maßgeblich basieren: auf Wachstum und Beschäftigung. Diese wiederum verdanken sich zu einem Großteil dem technischen Fortschritt, der nicht nur die Arbeit spürbar erleichtert, sondern sie zugleich auch produktiver gemacht hat; letzteres ist wiederum die Grundlage dafür, dass unser Wohlstand seit der Industrialisierung so unerhört gestiegen ist. Ja, ich weiß, das tut jetzt weh: Schließlich sind da noch die Kolonialisierung ganzer Kontinente, brutale Ausbeutung, Sklaverei und vieles mehr. Das stimmt ja alles. Aber was erklärt´s? Die Lehre daraus ist doch, dass wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Fortschritt politisch organisiert werden muss, dass die politische Macht nicht in den Händen weniger liegen darf – aber eben auch: dass die technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Voraussetzungen für ein gesundes soziales und ökologisches Klima ergründet und verstanden werden müssen, dass darüber demokratisch gestritten werden muss. Hat die Klimakonferenz das geleistet? Sicherlich nicht. Haben die Medien, die “zwei Wochenlang vor Ort” waren, das problematisert? Sicherlich nicht. Vielleicht mal punktuell. Das klingt dann aber in meinen Ohren immer wie ein Rülpser an einem voll gedeckten Buffet. Und voll gedeckte Buffets gab es sicherlich reichlich in Paris. Ob die taz-Journalisten wohl den Flieger nach Paris genommen haben, oder den Zug? Letzteres wäre ja schon mal ein Fortschritt. Auch ein technischer.


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