Es “riestert”, “gabrielt” und “steinmeiert” kräftig in der Gewerkschaftsspitze

Heute Vormittag gab im Interview mit dem Deutschlandfunk der Chef der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie und Energie, Michael Vassiliadis, seinen Senf zum SPD-Rentenkonzept. Dieser müsste den Arbeitnehmern kräftig Magenschmerzen bereiten, wenn nicht sogar Brechreiz hervorrufen. Man konnte fast den Eindruck gewinnen, da plant jemand schon einmal seinen Aufstieg als Arbeitsminister in einer großen Koalition.

Das wiederum hätte ja durchaus Tradition. Man denke nur an Walter Riester. Und in dessen Fußstapfen scheint Vassiliadis tatsächlich treten zu wollen. Für ihn ist das diskutierte Rentenniveau, das sich nun wirklich im Einvernehmen aller sonst damit Befassten auf die gesetzliche Umlagefinanzierung bezieht, das Ergebnis aus “der Addition der verschiedenen Säulen”.

Vassiliadis: “Es gibt ja die Diskussion darüber, was muss die gesetzliche Rentenversicherung an Niveau abdecken, oder, wie jetzt vorgesehen, 43 Prozent. Das Konzept selber geht davon aus, dass in der Addition der verschiedenen Säulen, also betrieblicher und privater Altersversorgung und der gesetzlichen, ein solches Rentenniveau erreicht wird.”

Nicht nur stellt Vassiliadis die weitere Absenkung des Rentenniveaus nicht in Frage. Selbst diese 43 Prozent sollen erst erreicht werden, wenn neben der gesetzlichen Rentenversicherung noch privat angespart wird. Mit dieser für einen Gewerkschafter makabren Position könnte Vassiliadis auch bequem in einen privaten Versicherungskonzern einsteigen.

Damit geht Vassiliadis freilich selbst über das Rentenkonzept der SPD hinaus. Denn dort heißt es:

“Darüber hinaus wollen wir als zweite Säule die betriebliche Altersversorgung (BAV) ausbauen, ohne die gesetzliche Rentenversicherung als erste und wichtigste Säule der Alterssicherung zu schwächen. Vor allem durch die Stärkung dieser Form der kollektiven und kapitalgedeckten Rentenvorsorge soll die durch die Reform des Jahres 2004 beschlossene weitere Absenkung des Rentenniveaus von derzeit etwa 50 Prozent des Einkommens (Bruttolohn nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge aber vor Steuern) auf 43 Prozent im Jahr 2030 so weit wie möglich kompensiert werden.”

Im Konzept der SPD sollen die anderen “Säulen” also gerade die Absenkung des Rentenniveaus “so weit wie möglich” (!) ausgleichen. Hierzu hätte man sich eine fundierte Kritik von einem Gewerkschaftsvorsitzenden erwartet. Der Moderator des Deutschlandfunks versucht auch fast schon verzweifelt eine solche aus Vassiliadis herauszukitzeln - ”Aber eigentlich, Herr Vassiliadis, hatte ich ja gefragt nach den Punkten, die Ihnen am SPD-Konzept noch nicht gefallen.” -, er scheitert aber.

Welcher Arbeitnehmer will im Ernst solch einen “Arbeitnehmervertreter” an der Spitze – und dafür auch noch Beiträge zahlen?

Apropos Beiträge: Das Gespenst einer Beitragserhöhung für die gesetzliche Rentenversicherung malt Vassiliadis ebenfalls gekonnt an die Wand. Vassiliadis:

“Man kann das Rentenniveau von der gesetzlichen Rentenversicherung natürlich auf 50 Prozent anheben – bedeutet aber, wir müssen über die Beiträge reden und die Beiträge steigen dann in einem Maße, das kann man ja nun relativ detailliert ausrechnen, wo auch Beitragszahler, die Arbeitnehmer sind, mit Sicherheit die Frage stellen, ob das am Ende effizient ist, ob das am Ende eine gute Anlage ist.”

Die gesetzliche Rentenversicherung als Anlageobjekt. Kein Wort über Produktivitätsgewinne, darüber gewonnene Verteilungsspielräume, Anhebung oder Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenzen. Auch in diesem Punkt weiß sich Vassiliadis einig mit der SPD-Spitze. Wer solch Arbeitnehmervertreter hat braucht in der Tat keine Arbeitgeberverbände mehr. Und die arbeitnehmerfeindliche SPD-Spitze von Sigmar Gabriel über Frank Steinmeier bis zu Peer Steinbrück darf sich wieder einmal die Hände reiben.

Krass auch dies:

“Deswegen, glaube ich, ist es sinnvoller, dass wir über ein Ziel reden – und da sind Ansätze in dem SPD-Konzept vorhanden -, wie wir am Ende insgesamt ein Rentenniveau für unsere Beschäftigten organisieren können, da können die Gewerkschaften ja auch selbst eine ganze Menge tun, das ein ordentliches Auskommen im Alter beinhaltet, und das eben auch zu sichern und langfristig anzugehen und nicht alle fünf Jahre neu diskutieren.”

Was haben denn die Gewerkschaften seit der Schröder-Ära für die Arbeitnehmer herausgeholt, “das ein ordentliches Auskommen im Alter beinhaltet”? Richtig, die Reallöhne sind kräftig gesunken. Sie ermöglichen immer mehr Menschen bereits heute kein “ordentliches Auskommen”, geschweige denn in der Zukunft.

Was ist das für ein Kerl, dieser Vassiliadis. Nicht zu fassen! Gewerkschaftsmitglieder sollten ernsthaft darüber nachdenken, wie man solch Spitzenfunktionäre absetzen und die Gewerkschaften wieder als Interessenvertretung der Arbeitnehmer organisieren kann.

Denn Vassiliadis ist ja kein Einzelfall. “Riestert” es kräftig an der Spitze der IG Berbau, Chemie und Energie, so “schrödert”, “gabrielt” und “steinmeiert” es nicht minder heftig bei der IG Metall und im DGB.

Berthold Huber, seines Zeichens Chef der IG Metall wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen, dass deutsches Lohndumping eine Rolle für die deutschen Exporterfolge spielt.

DGB-Chef Michael Sommer wiederum schreibt mit SPD-Chef Sigmar Gabriel einen süßholzraspelnden Artikel über den Niedriglohnsektor in der FAZ – ohne auch nur mit einem Wort die Politik der SPD dafür zu kritisieren und entsprechende Forderungen zu stellen.

Sommers neuester Schrei: Am 14. September empfängt er gemeinsam mit einem der Protagonisten der Agenda 2010, der bis heute voll hinter dieser steht, Frank Steinmeier, zum “Zukunftskongress – Deutschland 2020” der SPD-Bundestagsfraktion. Die Redner auf dieser Verunstaltung sind ausschließlich ausgewiesene Agenda-Politiker: Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel.

Mit solch Gewerkschaftsfunktionären ist nicht einmal für die Gegenwart irgendein Blumentopf für die Arbeitnehmer zu gewinnen, geschweige denn für die Zukunft. Man kann nur hoffen, dass ihnen das die Mitglieder nicht durchgehen lassen. Schaut man allerdings zurück, gibt es auch in dieser Hinsicht nicht allzu viel zu hoffen.

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