Eurokrise/Bundesbank/Vermögensabgabe: Bundesbank begibt sich mit Forderung nach Vermögensabgabe in ideologische Zwickmühle und will sich nur aus der Verantwortung stehlen

Die Bundesbank erwägt in ihrem aktuellen Monatsbericht eine “einmalige Vermögensabgabe als Instrument zur Lösung nationaler Solvenzkrisen im bestehenden EWU-Rahmen“. Schon mit dem ersten Satz zeigt die Bundesbank jedoch ihren beschränkten Ansatz. Wir haben dagegen im vergangenen August das Potenzial einer Vermögensabgabe breiter angelegt und auch historisch-theoretisch aufgerollt (im Abonnement). Der Text kann in englischer Sprache kostenfrei gelesen werden.

Im ersten Satz des Bundesbank-Textes heißt es: “In der aktuellen Staatsschuldenkrise kamen zeitweise starke Zweifel auf, ob einzelne Mitgliedstaaten der EWU ihre Staatsschulden bedienen können oder auf politischer Ebene die dafür notwendigen Maßnahmen einleiten.” Die Bundesbank begreift die Eurokrise immer noch nicht als Währungs-, sondern als Staatsschuldenkrise. So diskutiert sie auch eine einmalige Vermögensabgabe nur unter dem Aspekt der Staatschuldenfinanzierung. Das Ziel: Die betroffenen Länder, die erst durch die auch von der Bundesbank befürwortete Rezeptur der Ausgaben-, Lohnkürzungen und Massenentlassungen richtig tief in die Depression geraten sind, sollen möglichst nicht die “Solidarität anderer Staaten” einfordern: “Im Vergleich zur Staatsinsolvenz könnte die Erhebung einer  Vermögensabgabe aber wohl strukturierter und geordneter gestaltet
werden. Sie entspräche dem Prinzip der nationalen Eigenverantwortung, nach dem
zunächst die eigenen Steuerzahler für Verbindlichkeiten ihres Staates einstehen, bevor
die Solidarität anderer Staaten gefordert ist.”

Indem die Bundesbank aber dieses Instrument überhaupt jetzt diskutiert, gesteht sie immerhin ein, dass die von ihr befürwortete Politik auch im Jahr fünf nach Ausbruch der Finanz- und Eurokrise die betroffenen Länder wie die Europäische Währungsunion (EWU) insgesamt nicht “gerettet” hat.

Interessant auch, dass die Bundesbank zwar die Risiken bei der Erhebung einer einmaligen Vermögensabgabe sieht (Steuerflucht zum Beispiel), sie aber meint, diese Risiken ohne die Berücksichtigung oder Notwendigkeit von Kapitalverkehrskontrollen diskutieren zu können (siehe dazu in unserem Text).

Damit die Diskussion einer Vermögensabgabe bzw. einer Vermögenssteuer erst gar nicht auf Deutschland überschwappt, warnt die Bundesbank zudem: “Grundsätzlich ist eine Vermögensabgabe und erst recht eine fortlaufend erhobene Vermögensteuer aus gesamtwirtschaftlicher Sicht mit erheblichen Problemen verbunden, und der damit einhergehende Aufwand sowie die Risiken für den Wachstumspfad einer Volkswirtschaft
wiegen schwer. In der Ausnahmesituation einer drohenden staatlichen Insolvenz
könnte eine einmalige Vermögensabgabe aber güns tiger abschneiden als die dann
noch relevanten Optionen.”

Dass die USA beispielsweise ungeachtet einer vergleichsweise hohen Vermögenssteuer deutlich bessere Wachstumsergebnisse erzielen als Deutschland, verheimlicht die Bundesbank lieber und beweist ein weiteres Mal: Auch in diesem Hause regiert zuallererst die Idologie und das Interesse des großen Geldes, nicht aber das gesamtwirtschaftliche und das des Allgemeinwohls.

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Ihr Florian Mahler

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