Kommentar, Griechenland, Eurokrise: Mit Hinweisen auf wirtschaftliche Erholungsprozesse ist es nicht mehr getan – Von Claus Köhler

In diesen Tagen, in denen sich die wirtschaftlichen Probleme Griechenlands zuspitzen, werde ich immer wieder an die Ereignisse in den frühen dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erinnert. Wir haben gelernt, dass ein enger Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und zunehmenden Wahlergebnissen radikaler Parteien besteht. Nun erleben wir eine solche Entwicklung erneut, dieses Mal in Griechenland. Was sollte auch anderes herauskommen, wenn man es nicht verhindern kann, dass die Jugendarbeitslosenquote (Menschen unter 25 Jahren) in Griechenland Ende 2014 50,4 Prozent beträgt?

Wenn jeder zweite Jugendliche keine Chance sieht, sein Leben durch Arbeit selbst zu gestalten, muss man nicht erstaunt sein, wenn Demokratie bei den Betroffenen keine anzustrebende Gesellschaftsordnung ist. In Spanien beträgt die Arbeitslosenquote bei Jugendlichen 51,4 Prozent. Es kann nicht überraschen, wenn bei den demnächst anstehenden Wahlen, die Ergebnisse in die gleiche radikalere Richtung gehen, wie in Griechenland.

Wenn Regierungen solche unzumutbar hohen Jugendarbeitslosenquoten zulassen, haben sie auch kein Mandat verdient, weiter zu regieren. Nicht viel besser ist die Lage in Italien und Kroatien. Hier liegen die Arbeitslosenquoten Jugendlicher über 40 Prozent und in Portugal und Zypern über 30 Prozent. Vom “Vollbeschäftigungswert von rund 4 %”, den der Deutsche Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung nennt (SVR 2011/2012, Zi 448), ist man meilenweit entfernt.

Natürlich wird man zwischen Griechenland und der EU-Kommission irgendwelche Kompromisse finden, um die aktuelle Krise zu überbrücken. Aber das ist keine befriedigende Lösung. Es ist höchste Zeit, dass eine Institution bestimmt wird, die mit bestimmten Instrumenten versehen, für einen hohen Beschäftigungsgrad verantwortlich ist.

Vorbild sind die Vereinigten Staaten von Amerika. Ihre Zentralbank hat der Gesetzgeber verpflichtet, für Vollbeschäftigung und Preisstabilität (maximum employment and price stability) zu sorgen. Beide Ziele können durch Zinsänderungen und Liquiditätsversorgung der Zentralbank erreicht werden. Nach der Weltfinanz- und Konjunkturkrise ist es der amerikanischen Zentralbank gut gelungen, beide Ziele zu erreichen.

Auch in Großbritannien muss sich die Zentralbank, entsprechend den jährlich vom Finanzminister festgelegten Zielen, sowohl um Preisstabilität als auch um Wirtschaftswachstum und Beschäftigung kümmern (price stability – low inflation – and, subject to that, to support the Government’s economic objectives including those for growth and employment).

Die Arbeitslosenquoten haben in vielen Ländern unakzeptable Höhen erreicht. Mit Hinweisen auf wirtschaftliche Erholungsprozesse ist es nicht mehr getan. Es bedarf einer Institution, die für das Erreichen eines hohen Beschäftigungsgrades verantwortlich ist.

Claus Köhler ist Professor emeritus in Volkswirtschaftslehre und ehemaliges Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Zum Ende des vergangenen Jahres ist sein Buch “Wirtschaftspolitische Ziele in der globalen Welt” erschienen. Eine Rezension zum Buch finden Sie hier.


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