Wie sich die Europäische Kommission den griechischen Staatshaushalt schön rechnet

Mark Schieritz ver(sch)wendet viele Zeilen darauf, den kopflosen Kopf der AfD, Bernd Lucke (kaum zu glauben, aber er ist tatsächlich Professor für Makroökonomie), dafür zu kritisieren, dass er den Primärüberschuss im griechischen Staatshaushalt hinterfragt, weil das europäische Amt für Statistik, Eurostat, ein Defizit ausweise, Lucke doch aber wissen müsse, dass der Primärüberschuss für Griechenland im Rahmen des “ökonomischen Anpassungsprogramms für Griechenland” (Economic Adjustment Program for Greece) ganz anders berechnet werde. “Darüber”, so Schieritz, “kann man inhaltlich nun lange streiten…Der Punkt ist: Das spielt hier alles keine Rolle.” Nun ja. Recht hat Schieritz insoweit, dass Lucke über die unterschiedlichen Berechnungsmethoden hätte Kenntnis haben müssen. Recht hat Schieritz auch, wie der Bericht in der FAZ, auf den sich Schieritz bezieht, belegt, dass Lucke den Sachverhalt für seine äußerst flachen populistischen politischen Zwecke nutzt (die FAZ zitiert aus Luckes Brief an den Bundesfinanzminister: “…Da Deutschland durch manipulierte Zahlen zur Verschuldung des griechischen Staatshaushalts bereits beim Euro-Eintritt getäuscht wurde und nachfolgend erheblichen finanziellen Schaden erlitten hat…”). Ebenso fragwürdig aber ist Schieritz, wenn er zum einen darüber hinwegspielt, dass es in der Politik durchaus üblich ist, etwas in Fragen zu gießen, was man schon weiß, um das, was man weiß, von der Bundesregierung amtlich bestätigt zu bekommen. Das dürfte, sollte Schieritz bekannt sein, oder hat er etwa noch nie etwas von kleinen und großen Anfragen oder schriftlichen Anfragen an die Bundesregierung gehört, die genauso funktionieren, und mit denen die so fragenden Politiker versuchen, Öffentlichkeit herzustellen? Unrecht hat Schieritz darüber hinaus, zu meinen, “das spielt hier alles keine Rolle.” Dass auch Schieritz populistisch sein kann beweist er schließlich mit seinen abschließenden Sätzen: “Was lernen wir daraus? Traue keinen Statistiken, schon gar nicht, wenn sie von Parteien kommen.”

Erstens gilt es festzuhalten: Man muss erst suchen, um darauf zu stoßen, dass den Primärhaushalten unterschiedliche Berechnungsmethoden zugrundeliegen. Zweitens gilt es festzuhalten: Die Dimension, die sich aus den unterschiedlichen Berechnungen ergibt, ist riesig (siehe unten) und lässt den Schluss zu: Die Europäische Kommission rechnet sich für ihre Anpassungsprogramme den Staatshaushalt schön. Drittens: Beides ist vor dem Hintergrund, dass in der Politik wie in der breiten medialen Öffentlichkeit der Primärhaushalt Griechenlands und anderer von den “Anpassungsprogrammen” betroffener Länder immer so definiert wird, dass in diesem (nur) die Zinszahlungen nicht enthalten seien, ein echter Skandal! Denn diese Definition des Primärhaushalts – Einnahmen minus Ausgaben (ohne Zinszahlungen) – ist ja gerade nicht die, auf deren Grundlage Griechenland einen Primärüberschuss erzielt, sondern im Gegenteil ein tiefes Minus! An all dem sind jedoch nicht die Griechen Schuld, sondern die EU-Kommission, die Politik und ein nicht oder nur sehr begrenzt reflektierender Journalismus. So verweist das griechische Amt für Statistik im Gegenteil explizit auf die unterschiedlichen Berechnungsmethoden. Die aber sind von der EU-Kommission vorgegegeben. Dass die griechische Regierung in ihrer Not nach jedem Strohhalm, hier den des Primärüberschusses, greift, mag man kritisieren. Ohne die entsprechende Vorgabe der EU-Kommission wären solch fragwürdige Erfolgsmeldungen jedoch gar nicht möglich.

Wir nehmen dies zum Anlass, uns die relevanten Haushaltszahlen einmal genauer anzuschauen…Wie sich die Europäische Kommission den griechischen Staatshaushalt schön rechnet (vollständiger Beitrag nur im Abonnement)


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