Snowden/Irak-Krieg: Was Trittin und Gabriel verschweigen

Immerhin, Trittin und Bündnis 90/ Die Grünen sind klarer und konsequenter als Gabriel und die SPD zur Person Snowden und der von ihm aufgedeckten Überwachung. Und doch ist auch Trittin nicht aufrichtig.

Zwar sagt Trittin:”Hier ist millionenfach gegen deutsches Strafrecht verstoßen worden.”

Darauf angesprochen, dass schon der unter rot-grün regierende Innenminister, Otto Schily (SPD), “seine enge Kooperation mit dem US-Geheimdienstminister geradezu zelebriert” habe, antwortet Trittin nur mit der halben Wahrheit, wenn er sagt:

“Nichtsdestotrotz bleibt übrig, dass Deutschland im Sicherheitsrat eine Mehrheit herbeigeführt hat gegen eine Beteiligung an diesem Irak-Krieg. Durch diese Entscheidung war völlig klargestellt, dass es sich bei dieser Operation um ein völkerrechtlich nicht gedecktes Vorgehen der Amerikaner handelt, und das war eine sehr klare Haltung. Diese klare Haltung, die Rot-Grün damals gegenüber den USA eingenommen hat, die würde ich von der jetzigen Bundesregierung mir auch wünschen, denn es geht ja nicht um eine Bagatelle.”

So heldenhaft klar war die Haltung von rot-grün gegenüber den USA im Irak-Krieg aber keinswegs, wie das Bundesverwaltungsgericht höchstrichterlich festgestellt hat (siehe dazu ausführlich hier: Zehn Jahre Irak-Krieg: Gerhard Schröder war nicht konsequent – aber ein deutscher Soldat).

Der Wehrdisziplinaranwalt, Peter Dreist, hielt hierzu bereits 2005 fest:

“Entgegen allen öffentlichen Äußerungen ist auch die Lage der Bundesrepublik während des III. Golf-Konflikts durchaus als heikel anzusehen: Sie kann insbesondere aufgrund der aktiven Unterstützung der Aufmarschbemühungen der USA und ihrer Verbündeten und der Erlaubnis für diese, die Militärflugplätze in Deutschland für den Aufmarsch und die Versorgung sowie die Durchführung der Kampfeinsätze als Landebasen zu nutzen, sowie aufgrund der Nicht-Inhaftierung zurückkehrender Soldaten der Verbündeten, die sich aktiv an Kampfhandlungen beteiligt hatten, aus völkerrechtlicher Sicht als Partei des Konflikts betrachtet werden, die sich durch diese Handlungen ihres neutralen Status in diesem Konflikt begeben hatte.”

Das Bundesverwaltungsgericht zitiert ihn in seinem Urteil – und gibt ihm Recht, so wie es in dem Urteil dem Soldaten Recht gibt, der seine Beteiligung an deutschen Unterstützungsmaßnahmen für den völkerrechtswidrigen Irak-Krieg verweigerte (siehe dazu ausführlich ebenda).

In seinem Urteil stellt das Bundesverwaltungsgericht die vermeintliche Verweigerungshaltung bzw. Nicht-Beteiligung Deutschlands am Irak-Krieg ganz explizit in Frage:

“Die Unterstützung einer völkerrechtswidrigen Militäraktion kann nicht nur durch die militärische Teilnahme an Kampfhandlungen erfolgen, sondern auch auf andere Weise. Ein völkerrechtliches Delikt kann durch ein Tun oder – wenn eine völkerrechtliche Pflicht zu einem Tun besteht – durch Unterlassen begangen werden. (vgl. dazu u.a. von Münch, Das völkerrechtliche Delikt, 1963, S. 134 m.w.N.). Eine Beihilfe zu einem völkerrechtlichen Delikt ist selbst ein völkerrechtliches Delikt (speziell zum Irak-Krieg vgl. insoweit u.a. Puttler, HuV-I 16 (2003), 7 f.; Bothe, AVR 2003, 255 [266] m.w.N.).”

Die Vermutung liegt nahe, dass der Soldat, der damals vor Gericht zog, sich ähnlich gefühlt haben muss, wie Snowden heute. Ebenso nah liegt die Vermutung, dass Trittin das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bekannt ist. Sträflich wäre es jedenfalls, wenn nicht.

Gabriel wiederum bemüht zwar nicht den Irak-Krieg zum Thema. Aber auch er mag nicht gern auf die Vergangenheit der SPD, insbesondere die Rolle des damaligen Kanzleramtschefs und heutigen SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank Steinmeier antworten. Schließlich windet Gabriel sich noch mit diesem Satz:

“…unter den Eindrücken der Terrorakte in den USA haben die Vereinigten Staaten nach dem 11. September begonnen, gigantische Abhörmaßnahmen zu planen und durchzuführen, und sie haben niemanden gefragt, niemanden.

Das aber steht in krassem Widerspruch zu den Erkenntnissen des CIA-Beobachters Dick Marty. Den hat vorgestern ausführlich der Deutschlandfunk befragt und ihm unter anderem diese Frage gestellt:

“Ganz kurz nur zur Verdeutlichung: Al-Masri ist damals auf dem Balkan, Mazedonien, entführt worden von der CIA, wurde nach Afghanistan gebracht, und Ihre Recherchen ergaben, die deutsche Seite hat irgendwann davon Kenntnis bekommen. Daraus schließen Sie, Herr Marty, dass die Bundesregierung sehr wohl über die Aktivitäten von CIA und NSA in Europa bescheid weiß?

Die Antwort Martys:

“Sie kennen wahrscheinlich die Einzelheiten nicht, aber sie haben den freien Weg der CIA gegeben. Und dass die Bundesregierung etwas wusste, ist die Tatsache, dass der Bericht al-Masri für circa 80 Prozent des Inhalts als Staatsgeheimnis eingestuft wurde und nicht einmal dem Untersuchungsausschuss gegeben. Das bedeutet, man wusste etwas, mindestens von dem Fall al-Masri. Aber auch damals hatte vorher die Bundesregierung gesagt, wir wissen überhaupt nichts davon.”

Der Vergleich mit dem Fall al-Masri (siehe hierzu auch im Interview mit Marty), ebenso wie die oben aufgegriffene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur deutschen Beteiligung am Irak-Krieg, wie die Haltung von Trittin und Gabriel, geben Anlass zu vermuten, dass wir unter einer rot-grünen Bundesregierung nicht unbedingt mehr erfahren würden als unter der jetzigen. Besonders abgebrüht war in der Frage Snowdens übrigens wiederum der SPD-Chef. Auf seiner facebook-Seite schrieb er am 4. Juli:

Der erste Schritt muss doch sein, dass die Bundesanwaltschaft nach Moskau reist, um Herrn Snowden als Zeugen zu vernehmen. Und wenn sie den Eindruck hat, dass er ein verlässlicher Zeuge ist, muss man überlegen, ob er in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden sollte.”

Erst mal sehen, ob der Snowden als Zeuge nützlich ist, und dann mal sehen, ob wir ihn in ein Zeugenschutzprogramm aufnehmen – kein Asyl, kein: Willkommen! Am 5. Juli verlangt Gabriel ebenda von der Kanzlerin “Klartext” mit Obama zu reden. Angesichts seiner Haltung wirkt dies mehr als unglaubwürdig, um nicht zu sagen peinlich.

Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.


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