Eurokrise: Was den meisten Politikern neben der Ökonomie abgeht – die Empathie


Dass es mit dem gesamtwirtschaftlichen Denken bei den meisten Politikern jedweder parteipolitischer Couleur nicht allzu weit her ist, wird auf Wirtschaft und Gesellschaft immer wieder thematisiert.

Spätestens seit den Äußerungen von Andrea Nahles springt einen aber ein weiterer, noch grundsätzlicherer Gesichtspunkt ins Bewusstsein: Es ist die mangelnde Empathie, das mangelnde Einfühlungsvermögen oder, wie Arno Gruen es einmal genannt hat: Der Verlust des Mitgefühls.

Am Ende seines Buches zitiert Arno Gruen eine Parabel aus einem Buch Jakob Wassermanns:


“Wenn ich einen Fuhrmann sehe, der sein abgetriebenes Ross mit der Peitsche dermaßen misshandelt, dass die Adern des Tieres springen und die Nerven zittern, und es fragt mich einer von den untätig, obschon mitleidig Herumstehenden, was geschehen soll, so sage ich ihm: ´Reißt dem Wüterich vor allem die Peitsche aus der Hand.´ Erwidert mir dann einer: Der Gaul ist störrisch, der Gaul ist tückisch, der Gaul will bloß die Aufmerksamkeit auf sich lenken, ist ein gutgenährter Gaul, und der Wagen ist mit Stroh beladen, so sage ich ihm: Das können wir nachher untersuchen; vor allem reißt dem Wüterich die Peitsche aus der Hand.”

Möchte man das nicht auch, der deutschen Regierung, dem IWF und anderen Gläubigern die Peitsche aus den Händen reißen, mit der sie Griechenland und anderen Krisenländern rücksichtslos ihre Sparprogramme aufzwingen? Und möchte man den untätig und häufig nicht einmal mitleidig herumstehenden Oppositionspolitikern, den hochdotierten politischen Beratern und der “vierten Gewalt”, den Medien, nicht auch erwidern: Das können wir nachher untersuchen; vor allem reißt dem Wüterich die Peitsche aus der Hand!

Hierzu einige aktuelle Meldungen:

Deutschlandfunk:

“Dienstag, 14. Februar 2012 13:00 Uhr

Griechische Wirtschaft schrumpft weiter

Die griechische Wirtschaft ist im vergangenen Jahr erneut geschrumpft. Die Wirtschaftsleistung des Euro-Landes sank im vierten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um sieben Prozent. Das teilte die Statistikbehörde in Athen unter Berufung auf eine erste Schätzung mit. Für das gesamte Jahr 2011 wird mit einem Rückgang des Wachstums um etwa 6,8 Prozent gerechnet. – Das Parlament in Athen hatte in der Nacht zum Montag einem umfangreichen Sparpaket zugestimmt. Dies gilt als Voraussetzung für weitere Hilfen von EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds. In der Bundesregierung stießen die griechischen Sparbeschlüsse auf Zustimmung. Wirtschaftsminister Rösler rief die Regierung in Athen dazu auf, die beschlossenen Vorhaben zügig umzusetzen. Unionsfraktionschef Kauder betonte, Deutschland wolle dem Land bei der Überwindung der Schuldenkrise helfen. Dazu gehörten auch Initiativen zur Ankurbelung der Konjunktur, sagte Kauder im Deutschlandfunk.” (1)

Angela Merkel: “Merkel pocht auf Umsetzung…Auf Mitleid können die Hellenen nicht hoffen. Bundeskanzlerin Angela Merkel schloss Abstriche an den Sparmaßnahmen für Griechenland kategorisch aus. ´Eine Veränderung des Programms kann und wird es nicht geben´, sagte sie in Berlin.”

Philipp Rösler: “Bundeswirtschaftsminister Rösler hat Griechenland zu einer zügigen Umsetzung der neuen Sparmaßnahmen gedrängt.”

Wolfgang Schäuble: “Bundesfinanzminister Schäuble hat Verständnis für die Proteste der griechischen Bevölkerung geäußert. Es sei nachvollziehbar, dass die Menschen die internationalen Sparauflagen als ungerecht empfänden, sagte der CDU-Politiker im ZDF. Wahr sei aber auch, dass Griechenland lange über seine Verhältnisse gelebt habe. Das neue Sparpaket sei deshalb alternativlos.”

Andrea Nahles: “Statt nach Frankreich zu reisen, empfiehlt die SPD-Generalsekretärin der deutschen Regierungschefin einen Besuch in Griechenland, um Antonis Samaras ´einmal die Meinung zu sagen´. Schließlich präsentiere sich ihr Parteifreund als ´Hauptblockierer´ der notwendigen Strukturreformen im Land und lasse sich ´in keine Kabinettsdisziplin einbinden´, kritisierte Nahles am Montag in Berlin.”

Frank Steinmeier: “SPD-Fraktionschef Steinmeier bekräftigte ebenso die Forderung nach strengster Haushaltsdisziplin in Griechenland.”

Sigmar Gabriel: “Nationale Schuldenbremsen wurden zwar verabredet, und wer dagegen verstößt, soll Sanktionen ausgesetzt werden. Die allerdings kann eine Mehrheit der Mitgliedstaaten auch in Zukunft stoppen, wenn sie die Konsequenzen fürchten. Wenig mehr also als die bereits existierenden – und nicht funktionierenden – Regeln des Vertrages von Maastricht.”

Jürgen Trittin: “Grünen-Fraktionschef Trittin verteidigte die umstrittenen Sparforderungen an Griechenland als unabdingbar.”

(1) Jakob Wassermann, Mein Weg als Deutscher und Jude, München, 1994, hier zitiert in: Arno Gruen, der Verlust des Mitgefühls, Über die Politik der Gleichgültigkeit, 6. Auflage, München, 2005, S. 276 f.


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