Die Eurokrise offenbart es mehr als alles andere: Wir haben auch eine schwere Krise des Journalismus

Bei aller Kritik: Der Deutschlandfunk ist die Messlatte des deutschen Nachrichten-Journalismus. Und er offenbart: Der deutsche Journalismus steckt in einer schweren Krise. Er bemüht sich nicht, selbst den Dingen auf den Grund zu gehen, Zusammenhänge zu hinterfragen, Daten zur Prüfung gängiger Aussagen heranzuziehen. Weil er dies nicht tut, kann er auch keine kritischen Fragen stellen. Das stellt die Qualität vieler Reportagen und anderer Berichte nicht in Frage. Es betrifft aber die für den Politikbetrieb wesentlichen Sendungen Informationen am Morgen, Wirtschaft am Mittag, Wirtschaft und Gesellschaft am Nachmittag, die Informationen am Abend und Das war der Tag. Eine wahre Zumutung bzw. Frechheit sind die Börsenberichte.

Das Interview, das der Deutschlandfunk mit Heiner Flassbeck vor wenigen Tagen geführt hat und noch mehr das “Nachspiel” durch das unmittelbar danach geführte Interview zeigen mit einem Schlag und stellvertretend, wo der Journalismus in Deutschland heute steht, nicht nur der des Rundfunks, sondern auch der der Zeitungen.

Man kommt gar nicht hinterher, will man alle offensichtlich unterirdischen Beiträge kritisch aufgreifen. Ein Tiefpunkt heute waren sicherlich wieder die frühnachrichtlichen Börsenberichte. Die deutsche Arbeitslosigkeit, wurde dort nachgeplappert, sei dem Wetter geschuldet und überhaupt stehe Deutschland ja gut da und müsse sich keine Sorgen machen, so aus dem Gedächtnis wiedergegeben. Das ist alles wirklich affig. Doch nicht nur in dieser regelmäßig wirklich an Schwachsinn grenzenden Sendung ist ein deutlicher Leistungsabfall unverkennbar, nicht allein inhaltlich übrigens, sondern auch sprachlich.

Als ich mich vor einiger Zeit mit einem sehr altgedienten Journalisten unterhielt – er war jahrelang für die einschlägigen Sender und Zeitungen im Ausland tätig und hat aus vielen Krisenregionen der Welt berichtet -, der sich inhaltlich nicht konträrer zu meinen eigenen Positionen bewegen könnte, kam er von sich aus auf dieses Thema zu sprechen und urteilte fast noch negativer über den Deutschlandfunk als ich. Es ist keine Frage der persönlichen Meinung, es ist eine Frage der Herangehensweise und des beruflichen Selbstverständnisses. Jener nicht länger berufstätige Journalist wollte dies, wie auch meinen damaligen offenen Brief an Willy Steul, der bis heute unbeantwortet blieb, auch direkt bei Willy Steul, dem Intendanten des Deutschlandfunks ansprechen, den er sehr gut kenne. Ob er es getan hat? Wir sind fast Nachbarn. Ich werde ihn bei meiner nächsten Begegnung darauf ansprechen. Gebracht hat es jedenfalls nichts. Es ist seitdem eher noch viel schlimmer geworden.

Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.

 


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