“Es gibt viele Arten zu töten” – Von Stephan Schulmeister
11 Dezember

Die ideologischen Hauptfeinde des Europäischen Sozialmodells – die “Chicago boys” von Friedman bis Fama – haben seit den 1950er Jahren “bewiesen”: Destabilisierende Spekulation kann es nicht geben, daher sind die Finanzmärkte zu ent-fesseln. Wirtschaftpolitik stört die Marktprozesse, sie ist daher an Regeln zu binden. Arbeitslosigkeit ist “natürlich”, wenn Löhne und Arbeitslosengeld nicht sinken können. Daher ist eine (Voll)Beschäftigungspolitik besonders schädlich.

Die ent-fesselten Finanzmärkte verursachen eine große Krise. Die Politik in der EU verschärft mit dem Fiskalpakt ihre Selbst-Entmündigung. Die Experten der EU-Kommission schätzen die “natürliche Arbeitslosigkeit” auf eine solche Weise, dass jeder faktischer Anstieg in einen “natürlichen” verwandelt wird. Derzeit erklärt die Kommission 87% der spanischen Arbeitslosen für “natürlich” oder “freiwillig” arbeitslos, das sind 5,3 Millionen Menschen. Sie werden bei Berechnung des Potentialoutputs nicht berücksichtigt. So wird die Outputlücke klein gerechnet. Der Großteil des faktische Budgetdefizits wird so in ein “strukturelles” verwandelt. Also erzwingt der Fiskalpakt weiteres Sparen.

Fazit: Die EU setzt in allen wesentlichen Politikbereichen jene Konzepte um, die zur Zerstörung des Europäischen Sozialmodells entwickelt wurden.

Zur Rolle der Wirtschaftswissenschafter meint Brecht: “Es gibt viele Arten zu töten. Man kann einem ein Messer in den Bauch stechen, einem das Brot entziehen, einen von einer Krankheit nicht heilen, einen in eine schlechte Wohnung stecken, einen durch Arbeit zu Tode schinden, einen zum Suizid treiben, einen in den Krieg führen usw. Nur weniges davon ist in unserem Staat verboten.”

Dr. Stephan Schulmeister ist Ökonom am österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO. Auf Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse & Meinung ist im August 2012 ein ausführliches und immer noch aktuelles Interview mit ihm erschienen.

Bisher im Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse & Meinung-Adventskalender erschienen: **Der Wirtschaft und Gesellschaft-Analyse & Meinung-Adventskalender**

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