Medienanalyse und -kritik: Hörfunkrat spielt Ungleichbehandlung von im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien im Deutschlandfunk herunter – Transparenz lässt zu wünschen übrig

WuG hat am 4. März 2015 einen offenen Brief an den Hörfunkrat des Deutschlandfunks gerichtet. Hintergrund ist die im Rahmen unserer Medienanalyse regelmäßig zum Vorschein getretene Ungleichbehandlung von im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien. Erfreulicherweise haben Programmausschuss und Hörfunkrat dieses Thema bereits in ihrer Sitzung am 12. März aufgegriffen. Darüber unterrichtete mich der stellvertretende Vorsitzende des Hörfunkrats, Robert Clemen (CDU), vorab. Er wies mich auch darauf hin, dass ich die Protokolle der Sitzung erhalten würde. Die aber habe ich trotz mehrfacher Anfrage bis heute nicht erhalten. Während mich Robert Clemen darüber unterrichtete, dass er “sehr viel um die Ohren” hätte und “leider erst Ende der Woche dazu kommen” würde, sich darum zu kümmern, weswegen ich mich an Frank Schildt (SPD, Vorsitzenden des Hörfunkrates) oder an die Intendanz des Deutschlandradios wenden solle, erhielt ich, als ich dieser Empfehlung folgte, von diesen Ansprechpartnern gleich gar keine Antwort. Als ich daraufhin noch einmal Herrn Clemen anschrieb, mit der Bitte, dies nun doch in die Hand zu nehmen, und mir die Protokolle auf dem E-Mail-Weg zuzusenden, erhielt ich auch von ihm keine Antwort mehr. Bis heute weiß ich also nicht, wie das Thema auf den Sitzungen des Programmausschusses und des Hörfunkrates aufgegriffen und diskutiert wurde. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass – wenn ich richtig recherchiert habe – der Hörfunkrat keine eigene Internet-Präsenz hat oder auf den Seiten des Deutschlandradios die Protokolle und andere ihn betreffenden Entwicklungen an einer für ihn reservierten Stelle bzw. überhaupt veröffentlicht. Auch gibt es keine direkten E-Mail-Adressen, über die die Hörfunkrat-Mitglieder zu erreichen wären. Ich musste vielmehr erst recherchieren, wie der Vorsitzende und stellvertretende Vorsitzende des Hörfunkrates zu erreichen sind – nur über ihre eigenen E-Mail-Adressen. Der Deutschlandfunk informiert lediglich allgemein über die Institutionen Hörfunkrat und Programmausschuss (siehe zum Beispiel ) oder zu ausgewählten Themen (siehe zum Beispiel ). Die Suche nach “” wirft wiederum bis heute kein Ergebnis aus, das einen Hinweis auf die Protokolle gibt. Damit lässt die Transparenz dieser wichtigen Institutionen sicherlich zu wünschen übrig. Das Ergebnis aber teilte mir Herr Clemen in einer E-Mail mit. Und das überrascht – genauso wie die zuvor erhaltene Antwort von Willi Steul, Intendant des Deutschlandfunks, auf meinen offenen Brief. Beides dokumentieren und kommentieren wir im folgenden kurz, um Sie auf dem Laufenden zu halten.

Williy Steul weiß nicht was er tut

Als erstes antwortete – weil es wohl das Protokoll der Anstalt so vorsieht – der Intendant des Deutschlandfunks auf meinen offenen Brief:

“Sehr geehrter Herr Hild,

Sie haben uns bereits im April vergangenen Jahres eine ähnliche Anfrage übermittelt. Daraufhin hat unsere Archiv-Abteilung einen intensiven Recherche-Aufwand betrieben, um eine kleinteilige Auflistung für den Deutschlandfunk zu erstellen, die Ihnen zugegangen ist. Dies werden wir nicht erneut tun. Interview-Entscheidungen werden auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht nach Proporz sondern in erster Linie nach Aktualität, Gesprächswert und weiteren journalistischen Kriterien getroffen. Es werden im Deutschlandradio keine ´Strichlisten´ geführt. Weder bezogen auf die morgendlichen Interviews noch auf die Präsenz nach parteipolitischer Zugehörigkeit in unseren übrigen Sendungen, selbstverständlich auch nicht in Nachrichten. Wir können im gesamten Spektrum unserer Programme Deutschlandfunk, Deutschlandradio Kultur und DRadio Wissen nicht erkennen, dass wir gegen den Grundsatz verstoßen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen möglichst breit und vollständig abzubilden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Willi Steul

Intendant”

Ich meine aus diesen Zeilen “herauszuhören”, dass sich Herr Steul doch etwas gestört fühlt durch das unbefriedigende Ergebnis unserer Analyse und die entsprechend formulierten Einwende. Das ist jedoch mein subjektiver Eindruck. Objektiv falsch dagegen sind die Angaben, die Willi Steul in seinem Schreiben macht. Das geht aus meinem Antwortschreiben an ihn hervor – und blieb von ihm auch unwidersprochen:

“Sehr geehrter Herr Steul,

der Inhalt Ihres Schreibens erstaunt mich. Sie haben zwar in Ihrer Antwort aus dem letzten Jahr erwähnt, ich zitiere aus Ihrer E-Mail vom 09.04.2014:

´…Ich habe hierzu recherchieren lassen, für die Zeit von der letzte Bundestagswahl bis heute, bezogen auf aktuelle Sendungen wie ´Informationen am Morgen´ etc.

Danach wurden mit Vertretern der Linkspartei in der Tat weniger Gespräche geführt als mit Politikern der Grünen bzw. der SPD oder der Union…´

Von einem ´intensiven Recherche-Aufwand´, wie Sie unten schreiben, war indes keine Rede, und es wurde mir auch weder eine ´kleinteilige Auflistung´ noch überhaupt eine Auflistung zugesendet. Das war und ist mir auch nicht so wichtig, denn wir sind ja im Kern zum selben Ergebnis gelangt.

Es geht auch nicht darum, Programm nach einer ´Strichliste´zu machen, wie Sie unten schreiben, darin stimmen wir überein. Der aufgezeigten Dimension der Ungleichbehandlung der Parteien im Deutschlandfunk werden Sie mit Ihrer Antwort unten aber wohl kaum gerecht. Dass Sie das damit verbundene Problem der Meinungsvielfalt ´nicht erkennen´ können, wie Sie schreiben, glaube ich gern. Nur finde ich das höchst problematisch.

Nun warte ich mit Spannung auf die Antwort des Hörfunkrats, dem ich mein Schreiben vom 04.03.2015 und die darin enthaltenen Ergebnisse ja gebeten habe zu prüfen und sich des Themas anzunehmen. Ich bitte Sie hiermit auch, unsere aktuelle Korrespondenz hierzu an alle Mitglieder des Hörfunkrats weiterzuleiten. Vielen Dank.

Mit freundlichen Grüßen,

Florian Mahler”

Robert Clemen gibt Auskunft über das Ergebnis im Programmausschuss und im Hörfunkrat: Das gewisse “etwas”

Am 21. März erreichte mich schließlich auf meine erneute Anfrage hin dieses Schreiben von Robert Clemen, das Auskunft über das Ergebnis, nicht aber über die Diskussion und die darin geführten Argumente, gibt.

“Sehr geehrter Herr Hild,

wie angekündigt, haben wir Ihr Anliegen sowohl in der Sitzung des
Programmausschusses, als auch in der Sitzung des Hörfunkrates besprochen.
Es wurde festgestellt, dass Vertreter der Grünen ein wenig überproportional
zu ihrer Fraktionsstärke im Deutschen Bundestag, Vertreter von SPD und
CDU/CSU in etwa angemessen und Vertreter der Linken etwas unterproportional
im Programm repräsentiert waren. Dies soll in Zukunft etwas kritischer
reflektiert werden. Das Protokoll können Sie sich gern von der Intendanz
zukommen lassen.

Es müsste auch bald im Internet verfügbar sein.

Mit freundlichen Grüßen
Robert Clemen”

Nach meinem Dafürhalten spielt das von Robert Clemen übermittelte Ergebnis die im Rahmen unserer Analysen festgestellte ausgeprägte Ungleichbehandlung der Parteien im Deutschlandfunk, insbesondere die Benachteiligung der Linken, herunter und wird dem Sachverhalt damit nicht gerecht. Ergänzend zu unseren Ergebnissen, die dem offenen Brief an den Hörfunkrat zugrundeliegen, sei hierzu auf das jetzt vorliegende Ergebnis im ersten Quartal 2015 verwiesen. Allein in den ersten drei Monaten des Jahres hat der Deutschlandfunk mehr als doppelt soviele Interviews mit den Grünen geführt als mit der Linken (siehe dazu hier). Das Ergebnis für CDU und SPD war dagegen sehr ausgewogen. Deswegen ist es so interessant, die Protokolle einzusehen. Sobald diese der Redaktion vorliegen, werden wir diese auswerten und darüber informieren.

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