Aktuelle Nachrichten und Hintergrund auf Wirtschaft und Gesellschaft: Röslers Stellungnahme zum Armutsbericht ist der eigentlich unerträgliche “staatliche Eingriff”

Der deutschen Wirtschaft - Aktion am Deutschen Bundestag

Der Bundesminister für Wirtschaft hat Stellung zum Entwurf des Armutsberichtes der Bundesregierung genommen. “Röslers Ressort wehrt sich strikt dagegen, mit den im Bericht enthaltenen Daten über eine ungleiche Einkommens- und  Vermögensverteilung neue Staatseingriffe zu rechtfertigen”, meldet das Handelsblatt exklusiv und beherrscht damit auch die Nachrichten im Deutschlandfunk heute Vormittag.

Weiter heißt es in der Stellungnahme Röslers laut Handelsblatt: “Forderungen nach noch mehr Umverteilung sind für das Bundeswirtschaftsministerium nicht zustimmungsfähig.“ Und: „Vor allem Forderungen nach höheren Steuern für die, die den Sozialstaat finanzieren, lehnt das Ministerium entschieden ab.“

“Noch” mehr Umverteilung bereitet dem Bundeswirtschaftsminister also Sorge. Freilich meint er nicht die reale von unten nach oben, die auch der Armutsbericht thematisiert und nachweist, sondern die seiner Schützlinge und Schäfchen aus Besserverdienenden und Vermögenden. Liegt es vielleicht daran, dass Rösler gerade im Ausland (Hongkong) weilt, dass er die Verhältnisse in seinem eigenen Land nicht kennt? Unwahrscheinlich. Rösler ist ein Paradebeispiel für die Sorte asozialer Politiker, die in nicht eben geringer Zahl – zurückhaltend formuliert – den Deutschen Bundestag bevölkert, der sich eben dadurch über die Jahre immer mehr von einer Volksvertretung zu einer Art Versicherungs- bzw. Wirtschafts- und Interessenvertretung Besserverdienender und Vermögender entwickelt hat. Eine noch nicht allzu lange zurückliegende Aktion, in der ein Transparent mit der Aufschrift “Der Deutschen Wirtschaft” über das am Reichstag prangende “Dem Deutschen Volke” gehängt wurde, hat dies sehr gut zum Ausdruck gebracht.

Der Entwurf des Armutsberichtes ist indessen weit davon entfernt für staatliche Eingriffe zu plädieren. Im Gegenteil: So soll die Privatinitiative von Stiftungen und unbezahltes bürgerschaftliches Engagement weiter ausgebaut werden.

Der Stein des Anstoßes für Rösler ist dieser Satz aus dem Entwurf des Armutsberichtes, der der Redaktion vorliegt:

“Die Bundesregierung prüft, ob und wie über die Progression in der Einkommensteuer hinaus privater Reichtum für die nachhaltige Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden kann.”

Wahrscheinlich hat dieser auch die Handelsblattredaktion – zumindest die gut bezahlten Chefredakteure – dermaßen verunsichert und an ihren Glaubenssätzen gerührt, dass sie sogleich zum Bundeswirtschaftsminister eilten, um ihre Interessen (persönlich möglichst wenig zur Finanzierung des Gemeinwesens durch angemessene Steuerbelastung beizutragen) auch weiterhin gewahrt zu sehen. Selbst so betrachtet, ist es dennoch im Ergebnis ein guter Journalismus. Zeigt die Antwort aus dem Ministerium doch, mit welchem Realitätsverweigerer und eiskalten Politikertyp wir es bei Rösler zu tun haben. Mit seiner Anmerkung zur Umverteilung wie auch mit seiner im anderen Satz angelegten Verdrehung der Wahrheit zu den Finanzierern des Sozialstaates hat der Minister glatt das Zeug, der Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen noch den Rang der in diesem Jahr von Wirtschaft und Gesellschaft zum ersten Mal verliehenen “Auszeichnung” “Zyniker/in des Jahres” streitig zu machen. Die Redaktion denkt bereits darüber nach, ob sie den Preis zur Not – um auch hier Gerechtigkeit zu üben – auf mehrere Personen verteilt. Dabei ist im Armutsbericht noch nicht einmal von einer angemessenen Besteuerung von Vermögen die Rede, sondern nur von einer etwaigen angemessenen Besteuerung hoher und sehr hoher Einkommen. Aber Rösler wird sich gedacht haben: Wenn so etwas erst einmal Einzug hält, dann, oh weh!

Die im Armutsbericht ausgewiesene ernorme Spreizung in der Einkommensentwicklung spricht dennoch dafür:

Nur die obere Hälfte und insbesondere die sehr hohen Einkommen legen zu - die anderen verlieren (Zur Vergrößerung auf Graphik klicken.)

Inwieweit die Vermögenden in Deutschland zur Finanzierung des Sozialstaats beitragen bzw. gerade nicht beitragen – nämlich so gut wie nichts! – zeigt diese Graphik:

Vermögenssteuer im internationalen Vergleich (Zur Vergrößerung auf Graphik klicken.)

Meine persönliche Meinung ist: Der eigentlich zu verurteilende “staatliche Eingriff” bzw. der eigentliche staatliche Missgriff ist der, dass solch Sozial-Staatsfeinde wie Rösler ein staatliches Amt, ein Ministeramt bekleiden dürfen. Er ist ganz offensichtlich kein Volksvertreter in dem Sinne, dass er das Wohl der gesamten Bevölkerung im Blick hat und sich besonders um die auf soziale Leistungen Angewiesenen sorgt, und könnte sich mit seiner Geisteshaltung sicherlich viel besser als Versicherungsvertreter oder als Lobbyist in der privaten Wirtschaft verdingen. Lobbyismus ist in meinen Augen zwar verwerflich, aber Rösler würde dann zumindest nicht länger direkt aus Steuergeldern bezahlt und bekäme den “Markt”, den er predigt, einmal selbst zu spüren (vor allem wenn endlich ein wirksames Gesetz gegen Lobbyismus im Bundestag verabschiedet würde, wobei die Realisierung eines solchen Gesetztes sicherlich durch die “Privatisierung” Röslers” gefördert würde).

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