Oppermann offenbart Denke der SPD-Parteiführung – und beweist, dass unter jetziger SPD-Spitze keine alternative Politik erfolgen kann und wird
Und was sagt die SPD dazu?

Der Tagesspiegel ist hin und weg von ihm: “Mehr Schlagzeilen als Thomas Oppermann produzieren nur wenige in der SPD. Mit klaren Urteilen und zugespitzten Formulierungen ist der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion fast zu jeder Zeit, fast zu jedem Thema und fast in allen Medien präsent”, heißt es einleitend “Zur Person” Thomas Oppermann im Interview in der Druckausgabe des Tagesspiegel am Sonntag.

Als Überschrift hat sich der Tagesspiegel diesen Satz Oppermanns aus dem Interview herausgegriffen: “Gegen Altersarmut helfen gute Arbeit und hohe Löhne.”

Was Oppermann unter “guter Arbeit” versteht, sagt er auch in dem Interview – und meint mit seiner Position für “alle Sozialdemokraten” zu sprechen. Auf die Frage “Wie soll das gehen?”, dass die SPD die nächsten Bundestagswahlen gewinnt, antwortet Oppermann:

“Wir werden deutlich machen: Deutschland steht nur deshalb so gut da, weil Rot-Grün vor zehn Jahren einschneidende Reformen durchgesetzt hat. Die Regierung Merkel verzehrt dagegen leistungslos die Früchte rot-grüner Reformarbeit. Sie tut überhaupt nichts, um uns auf die Zukunft vorzubereiten.”

Oppermann kritisiert Merkel nicht etwa, weil sie eine unsoziale Politik macht, sie tut ihm zuwenig! Sie denken, dass kann doch unmöglich die Mehrheitsmeinung in der SPD sein, “einschneidende Reformen”, die Agenda 2010, Hartz IV, Rentenkürzungen und vieles mehr, “einschneidende Reformen” unter Rot-Grün und Schwarz-Rot also, heute noch zu verteidigen? Und Sie fragen sich, ob es diese Rahmenbedingungen sind – jede Arbeit zu jedem Lohn annehmen zu müssen, nach einem Jahr Arbeitslosigkeit in Hartz IV zu fallen, noch über 65 Jahre hinaus arbeiten zu müssen usw. – die “gute Arbeit” ausmachen sollen? Wenn es nach Thomas Oppermann geht schon: Auf die anschließende Frage: “Auf all diese Erfolge (der Tagesspiegel zeigt hier, was er von den “einschneidenden Reformen” hält, T.H.) ist die SPD doch gar nicht stolz. Bei welchem Sozialdemokraten löst die Agenda 2010 denn Jubelstürme aus?”, der Journalisten antwortet Oppermann:

Jeder weiß: Unsere Reformen haben viel Kraft gekostet, aber sie haben Deutschland modernisiert und stark gemacht. Darauf sind alle Sozialdemokraten stolz. Natürlich gibt es auch Korrekturbedarf an einigen Punkten. Politik ist nie fertig. Neue Gerechtigkeitsdefizite in unserer Gesellschaft brauchen neue Antworten. Dabei müssen wir an unsere Stärken anknüpfen. Auf dem Zukunftskongress der Fraktion kommende Woche werden wir dies diskutieren.” (Hervorhebung, T.H.)

Dass es eben die Agenda 2010 war, die “gute Arbeit” – ein schrecklich braver Begriff, der glaube ich ausgerechnet aus dem Hause des DGB stammt, der zumindest dort gehegt und gepflegt wird und der auch zeigt, wie es um den DGB als außerparlamentarische Opposition und Arbeitnehmervertretung bestellt ist; “gute Arbeit” klingt in meinen Ohren jedenfalls immer wie das “guten Abend” der Mainzelmännchen! – nachhaltig zerstört, den Niedriglohnsektor salonfähig und Renten- und allgemeine Armut in breite Bevölkerungskreise hereingetragen hat, kommt Oppermann überhaupt nicht in den Sinn. Mit den “klaren Urteilen” (Tagesspiegel) von Thomas Oppermann scheint es nun doch nicht allzu weit her. Die unter der von Oppermann gefeierten Ägide der Schröder-Ära und danach durchgesetzen Spitzen- und Unternehmenssteuersenkungen, die Kapitalmarktliberalisierungen usw., all das hat unsere Gesellschaft und auch die Eurozone tief gespalten. Der von Oppermann angesprochene “Zukunftskongress” wiederum hält als Redner ausschließlich ausgewiesene Agenda-Politiker vor: Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Sigmar Gabriel! Siehe dazu auch: Alltag im Regierungsviertel: “Zukunftskongress Deutschland 2020″? Nein Danke!

Oppermann wirft Ursula von der Leyen vor: “Frau von der Leyen verkennt, dass Altersarmut immer die Folge von Erwerbsarmut ist. Gut bezahlte Arbeit ist das beste Mittel gegen Armut im Alter.” Oppermann fällt ganz offensichtlich nicht ein, dass diese Sätze in krassem Widerspruch zu seinen oben zitierten Aussagen stehen, in denen er die “einschneidenden Reformen” unter Rot-Grün zum Maß aller Dinge erhebt.

Oppermann liefert erneut und in besonders unmissverständlicher Form einen Beleg für die Widersprüchlichkeit, in der die SPD-Spitze hilflos, geistig und politisch umnachtet umherrudert. Dieser Zustand einer Partei ist nun wirklich keiner Gesellschaft zuzumuten; sie ist in höchstem Maße gesellschaftsgefährdend. Nichts wird sich unter dieser SPD-Spitze – Sigmar Gabriel, Frank Steinmeier, Peer Steinbrück, Thomas Oppermann – sozial und ökonomisch zum Positiven wenden. Darüber muss sich auch die SPD-Linke klar sein.

Oppermann äußert sich schließlich auch zur Absenkung des Rentenniveaus auf 43 Prozent und die Frage, ob die SPD dieses nicht doch “auf 51 Prozent einfrieren” sollte:

“Nein. Wir dürfen die demografischen Veränderungen nicht ignorieren. Die geburtenschwachen Jahrgänge können nicht allein den Lebensunterhalt für die geburtenstarken Jahrgänge erarbeiten. Damit wäre diese Generation überfordert. Wir müssen daher drohende Altersarmut über andere Instrumente auffangen. Was wirklich hilft, sind gute Arbeit und hohe Löhne.”

Kein Wort verliert Oppermann in diesem Zusammenhang über Produktivität, erhöhte Verteilungsspielräume, Anhebung oder Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenzen. Dieser Politiker, als Parlamentarischer Geschäftsführer in wichtiger Funktion in der SPD-Bundestagsfraktion, beweist auf einer ganzen Seite des Tagesspiegels am Sonntag nur eines gewiss: Mit dieser SPD-Spitze ist kein besserer Staat zu machen. Man darf gespannt sein, ob die SPD-Linke wirklich noch einmal dieses “Spiel”, das für die einfachen, am meisten betroffenen Menschen, ja, mittlerweile für ganze Generationen, keines ist, sondern bitterer, existenzieller Ernst, noch weiter mitspielt. Sie hat sich längst mitschuldig an den ökonomischen und sozialen Verhältnissen in Deutschland und der Eurozone gemacht. Sie tut dies weiterhin, wenn sie nicht endlich ihrer eigenen Partei inhaltlich und personell Paroli bietet. Tut sie dies nicht, wird der Ökonom Heiner Flassbeck wohl weiterhin Recht behalten, wenn er sagt: “Über die inneren Verhältnisse der deutschen Sozialdemokratie möchte ich nicht mehr sprechen. Das ist sozusagen nicht der Rede wert (lacht).”

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