Zitat des (2. Weihnachts-)Tages: Wolfgang Franz, Chef-Weihnachtsmann des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung

Der Sachverständigenrat geht für das nächste Jahr von einem Produktivitätsfortschritt in Höhe von 0,6 Prozent aus und erwartet eine Preissteigerungsrate des Bruttoinlandsprodukts von 1,5 Prozent. Der gesamtwirtschaftliche Verteilungsspielraum beträgt also rund 2 Prozent, den die Tarifvertragsparteien aber nicht ganz ausschöpfen sollten, um einen Beitrag für die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu leisten. Denn zur Vollbeschäftigung ist es noch ein gutes Stück des Weges. In den Branchen können die Löhne davon nach oben oder unten abweichen, je nachdem wie hoch der Verteilungsspielraum dort zu veranschlagen ist. Das ist dann Sache der Tarifvertragsparteien.

Wolfgang Franz auf die Frage: Wie werden sich die Löhne und Gehälter 2013 entwickeln?

In dieser Aussage von Franz stecken gleich mehrere, nennen wir sie Anomalien, die ein weiteres Mal am Sachverstand des Sachverständigen zweifeln lassen; ein weiteres Mal, weil das, was der Chef-Weihnachtsmann des Sachverständigenrates hier erzählt, schon dem Stand des selbigen vor 13 (vorsicht Unglückszahl) Jahren entspricht. Vergleiche dazu hier:

Wieder hervorgeholt: In welcher Radikalität der so genannte Sachverständigenrat 1999 dem Sozialabbau das Wort sprach

1. Anomalie: Wie kann ein Sachverständiger von 1,5 Prozent Preissteigerung ausgehen, ohne dies zu problematisieren, wenn für die Eurozone ein Inflationsziel von zwei Prozent bzw. nahe unter zwei Prozent (also konservativ betrachtet 1,9 %) vertraglich vereinbart ist? Das deutsche Lohndumping soll also wenn es nach Franz geht weitergehen. Dazu passt dann auch die

2. Anomalie: Wie schon vor dreizehn Jahren empfiehlt der Sachverständigenrat, hier in Person von Wolfgang Franz, dass die Tarifgemeinschaften den Verteilungsspielraum (Produktivitätszuwachs+Inflation) nicht ausschöpfen sollen, und wieder versucht er dies darüber zu verkaufen, dass dies Beschäftigung bringe.

Das Gegenteil war und ist jedoch der Fall. Nur, wenn der Verteilungsspielraum, der im Rahmen der Eurozone richtig definiert ist mit Produktivitätsgewinn plus Inflationsziel von 2 bzw. 1,9 Prozent, ausgeschöpft wird, wird die Beschäftigung gesichert bzw. kann steigen. Denn die Ausschöpfung des Verteilungsspielraums sichert, dass das Angebot bzw. das über Produktivitätssteigerungen erhöhte Angebot auch auf die entsprechende kaufkräftige Nachfrage trifft – ohne weitere Löcher in die Leistungsbilanzen anderer Länder zu reißen.

3. Anomalie ist, von einem Produktivitätszuwachs von 0,6 Prozent auszugehen. 1,5 Prozent sollten doch schon drin sein. Will Franz mit seiner äußerst niedrigen Kennziffer etwa auf bescheidene Lohnsteigerungen einwirken? Wahrlich keine feine Gabe, die dieser Weihnachtsmann für die Arbeitnehmer für das Jahr 2013 bereit hält! Alles andere wäre aber auch eine echte Weihnachtsüberraschung gewesen. Laut Angaben im aktuellen Jahresgutachten des Sachverständigenrates ist die Produktivität je Erwerbstätigenstunde übrigens 2010 um 1,8 und 2011 um 1,6 Prozent gestiegen; 2012 prognostiziert der Sachverständigenrat allerdings eine Steigerung von lediglich 0,4 Prozent.

4. Anomalie schließlich ist, dass die Löhne, wenn es nach Franz geht, nach dem jeweiligen Verteilungsspielraum eines Wirtschaftszweiges verhandelt werden sollen. Auch diese Argumentation findet sich bereits im Jahresgutachten des Sachverständigenrates von 1999/2000. Entscheidend für die Beschäftigung ist aber, dass der gesamtwirtschaftliche Verteilungsspielraum gesamtwirtschaftlich ausgeschöpft wird.

Um wieder Vollbeschäftigung zu erreichen, bedarf es darüber hinaus eines ausreichenden Wirtschaftswachstums. Vergleiche dazu hier:

Deutschland und die Eurozone brauchen ein Beschäftigungsziel

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