Rüstungsexporte/SPD/DL-21: Lauter Unwahrheiten

Gerade heute früh haben wir auf Basis des heute veröffentlichten Jahresberichts und der aktualisierten Datenbank des Forschungsinstituts SIPRI die Rüstungsexporte Deutschlands und seine Stellung im weltweiten Rüstungsgeschäft seit 1998 abgebildet. Wie sinnvoll das war, zeigt die folgende Begebenheit. Kurz nach Veröffentlichung flatterte mir ein Newsletter der DL 21, Die Sozialdemokratische Linke, eine Gruppierung innerhalb der SPD, ins Haus bzw. in die Mailbox. Der Newsletter eröffnet mit folgendem Text von Hilde Mattheis, Vorsitzende der DL 21:

Deutsche Rüstungsfirmen steigern Kleinwaffen-Exporte. Bundesregierung genehmigte 2012 Ausfuhren von Gewehren und Maschinenpistolen im Wert von 76 Millionen Euro.´ Diese und ähnliche Überschriften wie ´Deutsche Waffen sind Exportschlager.´ haben diese Woche die Schlagzeilen bestimmt. 2011 waren halb so viele Waffen ins Ausland exportiert worden. Aus den Presseberichten ging ebenfalls hervor, dass die Bundesregierung nicht offenlegen will, wer Abnehmer der sogenannten Kleinwaffen ist.

Die Rüstungsexportgenehmigungen in sogenannte Drittstaaten sind unter der Schwarz-Gelben Bundesregierung insgesamt deutlich gestiegen. Allein in die Krisenregionen der arabischen Halbinsel im Wert von 1,42 Milliarden Euro, das ist das Doppelte an Exporten wie 2011.

Die SPD hat sich immer als Friedenspartei verstanden. Und so wurde auch auf Initiative der DL 21 im Regierungsprogramm festgehalten: ´Eine Ausweitung von Rüstungsexporten aus wirtschaftlichen Gründen und als Ersatz für eine gestalterische Außenpolitik lehnen wir entschieden ab. Dies bedeutet auch, ein parlamentarisches Gremium im Deutschen Bundestag zu schaffen, das bei zentralen Waffenexportentscheidungen die Bundesregierung kontrolliert und das zeitnah Transparenz gegenüber Parlament und Öffentlichkeit herstellen kann. Eine mögliche Weitergabe aus Deutschland exportierter Waffen an Dritte ist wirksam zu kontrollieren und Verstöße gegen Endverbleibsklauseln sind streng zu sanktionieren.“ (Anmerkung Wirtschaft und Gesellschaft: Alle Hervorhebungen im Original)

In diesem Text stecken gleich mehrere dreiste Unwahrheiten bzw. Verschleierungen.

Zum einen hat auch die rot-grüne Bundesregierung unter der Führung der SPD umfangreiche Waffenlieferungen in Krisenregionen getätigt bzw. in Länder mit diktatorischen Regimen. Darüber geben die Unterrichtungen durch die Bundesregierung zu den Rüstungsexportberichten Auskunft. Nehmen wir  die im Newsletter zuerst und zurecht monierten Kleinwaffen-Exporte. Hier eine Übersicht für die Jahre 1996 bis 2004:

Zur Vergrößerung auf Tabelle klicken.

Unter den Empfängern: Ägypten (u.a. Maschinenpistolen), Saudi Arabien (u.a. Maschinenpistolen).

Verschleiert wird in dem Text der DL 21, dass die SPD in Regierungsverantwortung “Rüstungsexporte aus wirtschaftlichen Gründen” ebenfalls nicht abgelehnt hat. Hier eine Graphik zu den kommerziellen Kriegswaffenausfuhren in Drittländer aus derselben Quelle:

Zur Vergrößerung auf Graphik klicken.

Unter den Empfängern waren wiederum Länder wie Saudi Arabien und Ägypten.

In diesem Zusammenhang sticht dann besonders ins Auge, dass die SPD-Linke lediglich eine “Ausweitung” von Rüstungsexporten aus wirtschaftlichen Gründen ablehnt.

Nicht aufrichtig ist schießlich die Verkürzung auf die Jahre 2011/2012. Die Daten von SIPRI besagen (zur Methode von SIPRI siehe hier: Trend Indicator TIV), dass Deutschland unter rot-grün insgesamt deutlich mehr Rüstungsexporte getätigt hat, als schwarz-gelb in den Jahren 2011 und 2012. So lagen nach der international anerkannten Berechnungsmethode (TIV) des SIPRI die Rüstungsexporte bereits 1999, ein Jahr nach der Regierungsübernahme durch die rot-grüne Koalition, gemessen in konstanten US $, bei 1,8 Mrd. US $. Deutschland rückte in diesem Jahr das erste Mal auf Rang 3 der weltweit größten Rüstungsexporteure auf. Auch 2003 lagen die deutschen Rüstungsexporte mit 1,7 Mrd. Euro deutlich über den Jahren 2011 und 2012 (2011: 1,3 Mrd.; 2012: 1,2 Mrd.). Nach SIPRI sind die deutschen Rüstungsexporte in 2011 und 2012 auch nicht gestiegen, sondern gesunken.

Weil das so ist, die SPD in der Rüstungspolitik also keineswegs eine andere Grundhaltung bewiesen hat als die jetzige Bundesregierung, kann die Bundeskanzlerin auf Interviewfragen wie diese auch entsprechend antworten (4. Juni 2012):

“SPIEGEL: Der umstrittenste Teil Ihrer Außenpolitik sind die Waffenlieferungen an Staaten wie Saudi-Arabien und Katar. Warum bekommen arabische Potentaten deutsche Panzer?

Merkel: Wir halten uns bei Rüstungsexportgenehmigungen an exakt dieselben Grundsätze, die auch frühere Bundesregierungen geleitet haben, und auch sie haben bereits Lieferungen in arabische Länder genehmigt. Natürlich wussten wir dabei immer schon, dass die meisten dieser Staaten keine Demokratien sind, aber wir wussten immer auch, dass sie für eine Vielzahl regionaler und internationaler Fragen wichtige Partner Deutschlands und der EU sind, zum Beispiel auch und gerade im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Wir bewerten diese Frage jeweils in jedem Einzelfall und wägen alle Gesichtspunkte miteinander ab. Darüber hinaus haben wir einigen Ländern gegenüber eine Verpflichtung.”

Eines macht der Text  der DL 21 schließlich auch deutlich: Auch die SPD-Linke vertritt keine pazifistische Politik und stellt die Rüstungsindustrie und Rüstungsexporte nicht grundsätzlich infrage.

Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.


Dieser Text ist mir etwas wert


Verwandte Artikel: