Über das Schenken – von Gerhard Schick
2 Dezember

Geschenke macht man eigentlich nur zu Weihnachten. Die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland aber war in den letzten Jahren überaus großzügig und hat Monat für Monat Autos, Maschinen, chemische Produkte und Dienstleistungen in die weite Welt verschenkt. Moment mal, wir haben diese Dinge doch verkauft und sind deshalb so stolze Exportweltmeister, oder? Nun, im Kern hat Deutschland agiert wie ein Krämerladen – wir haben anschreiben lassen. Für unsere ins Ausland verkauften Produkte haben wir unseren Kunden Kredit gegeben. Diese Forderungen repräsentieren das deutsche Auslandsvermögen. Doch müssen wir feststellen, dass dieses Geld zu einem großen Teil Scheinvermögen war. Unsere Banken haben die Exporterlöse in toxische Papiere des amerikanischen Subprime-Markts oder in eine spanische Immobilienblase investiert. Heute merken wir, dass ein Großteil der Forderungen ans Ausland viel weniger wert ist, als wir dachten. Die Europäische Kommission bspw. hat berechnet, dass wir 2011 etwa 550 Milliarden weniger Auslandsvermögen hatten, als anhand der kumulierten Exportüberschüsse seit 2007 anzunehmen wäre. Ähnlich rechnen das Erik Klär, Fabian Lindner und Kenan Šehović in ihrem aktuellen Papier vor. Im Rückblick und Deutschland als Ganzes betrachtet, haben wir also einen Teil der Autos, Maschinen, chemischen Produkte und Dienstleistungen ohne Gegenwert abgegeben – verschenkt. Irgendwie nett von uns. Ist Schenken nicht etwas sehr Schönes?

An Weihnachten ja, und jedes bewusste Schenken ist großartig. Aber die wirtschaftspolitische Strategie Deutschlands war ja nicht ein bewusstes Schenken an Bedürftige oder an liebe Mitmenschen, sondern man meinte, so würde Deutschland reicher. Doch das, was uns wirklich reicher machen würde, nämlich reale Investitionen, dümpelte in den letzten Jahren vor sich hin. Während das Geld, das wir im Gegenzug zu den verkauften Gütern im Ausland erhalten haben, im Ausland schlecht angelegt wurde und somit teilweise verloren ging, konstatieren wir gleichzeitig in Deutschland einen Investitionsstau bei privaten wie staatlichen Investitionen. Das macht wenig Sinn. Anstatt Immobilienblasen im Ausland zu finanzieren sollten wir das Geld lieber in den Ausbau der Kinderbetreuung oder der Energienetze oder in die Sanierung maroder Schulen und Brücken stecken. Ich meine: Schenken passt zu Weihnachten, in der Wirtschaftspolitik sollten wir mit dem ungeplanten Verschenken von Geld besser aufhören.

Gerhard Schick ist finanzpolitischer Sprecher der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag. Auf Wirtschaft und Gesellschaft ist von ihm erschienen: Die desaströsen Bankenrettungen in Europa


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