Thomas Oppermann liefert Paradebeispiel für falsche, inhumane politische Prioritätensetzung

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass mit dieser SPD kein Sozialstaat zu machen und die Eurokrise nicht zu überwinden ist, dann liefert ihn Thomas Oppermann, Fraktionsvorsitzender der SPD im Deutschen Bundestag. Aufgrund der jüngsten Entwicklung in Deutschland (PEGIDA) kommt seinen Äußerungen im Interview auf der Seite des Deutschen Bundestages (das Interview ist kurze Zeit später merkwürdigerweise von der Internetseite des Deutschen Bundestages verschwunden, wir dokumentieren es jedoch unten am Ende des Artikels in der erschienenen Fassung vollständig, T.H.) umso größere Bedeutung zu, zumal er mit seiner Geisteshaltung für viele, wenn nicht die Mehrheit im Deutschen Bundestag steht.

Nicht anders als Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) steht für Oppermann die “schwarze Null” für “ordentliches Wirtschaften”:

…Was halten Sie für die größte Herausforderung im kommenden Jahr? Welche thematischen Schwerpunkte will ihre Fraktion 2015 setzen?

Thomas Oppermann: …Wir haben in diesem Jahr das erste Mal seit 46 Jahren einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt. Damit zeigen wir: Diese Regierung wirtschaftet ordentlich und hat gleichzeitig noch Spielraum für wichtige Reformprojekte. Wir sehen aber auch, dass die öffentlichen und privaten Investitionen in Deutschland nach wie vor zu gering sind, um unsere Wettbewerbsfähigkeit auf Dauer zu sichern. Aus diesem Grund wird der Bund in den nächsten drei Jahren 10 Milliarden zusätzlich investieren.”

Die Antwort Oppermanns zeigt zugleich, dass, erstens, die öffentlichen und privaten Investitionen in Deutschland für ihn im Dienst der “Wettbewerbsfähigkeit” stehen, nicht im Dienst von mehr Binnennachfrage zum Ausgleich der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte, konkret: der hohen Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands, die zu großen Teilen auf über Lohndumping (Agenda 2010, Hartz IV, Zeitarbeit, Leiharbeit…) erzielte Wettbewerbsvorteile gründen. Oppermann hat damit ein Kernproblem der Eurokrise und die politische Verantwortung Deutschlands immer noch nicht erkannt. Das wundert nicht. Ist er doch seit Jahren ein Protagonist dieser Politik. Seine Antwort zeigt, zweitens, dass er meint, mit 10 Mrd. Euro zusätzlichen Investitionen in den nächsten drei Jahren die Investitionsrückstände spürbar überwinden zu können. Diese Summe ist jedoch angesichts der Investitionsrückstände viel zu gering (siehe dazu hier).

Zu Oppermanns Verständnis der Lage und Entwicklung und der Rolle Deutschlands als “Exportnation” passt auch diese Aussage Oppermanns:

“In diesem Jahr sind zwei Herausforderungen, vor denen Deutschland steht, besonders deutlich geworden. Auf der einen Seite sehe ich den bereits jetzt drängend werdenden Fachkräftemangel, der sich in den kommenden Jahren durch den demographischen Wandel weiter verschärfen wird. Das ist für eine Exportnation wie Deutschland eine fatale Entwicklung.”

Woran aber ist denn der “Fachkräftemangel” in diesem Jahr “besonders deutlich geworden”? An den riesigen Lücken, die bis in einzelne Berufsgruppen hinein zwischen offenen Stellen (Arbeitsnachfrage) und Arbeitslosen (Arbeitsangebot) klaffen (siehe dazu hier)? An der nahezu unverändert hohen Arbeitslosenquote von über sechs Prozent? Daran, dass jeder dritte Arbeitnehmer von der Bundesagentur für Arbeit in Zeitarbeit vermittelt wird und nach kurzer Zeit wieder auf der Straße steht (siehe dazu hier). Oder sind es die im Vergleich zu vielen Vorjahren auch nur einigermaßen vernünftigen Lohnsteigerungen, die Oppermann Sorge bereiten (siehe dazu hier)?

Warum bereiten diesem Sozialdemokraten nicht vielmehr die Massenarbeitslosigkeit in der Europäischen Währungsunion Sorgen, die hohe und weiter wachsende Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen, das niedrige Wirtschaftswachstum, die zunehmende politische Instabilität in Deutschland und der Welt, die Ausländerfeindlichkeit, in die sich die Ängste und der Frust vieler Menschen in Deutschland verheerenderweise kanalisieren, nicht erst seit PEGIDA, sondern seit langem, man denke nur an den SPD-Politiker Sarrazin?

Weil Oppermann einer der vielen Politiker ist, der genau für das alles seit Jahren mit verantwortlich zeichnet. Er ist ein Protagonist der Parallelgesellschaft, zu der sich der Deutsche Bundestag in weiten Teilen entwickelt hat, völlig entfremdet von den Bedürfnissen der Menschen, dem Funktionieren einer Volkswirtschaft und den globalen Herausforderungen. Deswegen ist für Oppermann “Zuwanderung” auch nur “für den Erhalt unserer wirtschaftlichen Stärke unverzichtbar”. Von der Not der Flüchtlinge, von Hilfe unabhängig von irgendeinem wirtschaftlichen Nutzen, davon kommt Oppermann nichts über die Lippen. Es sind Politiker wie Oppermann, die unsere vor wenigen Tagen erschienene Analyse auf die darin benannte unheimliche Art und Weise bestätigen (siehe hier, aber auch hier).

Das vollständige Interview mit Thomas Oppermann auf der Internetseite des Deutschen Bundestages:

Thomas Oppermann, Fraktionsvorsitzender der SPD

Der Bürokratieabbau und die Regulierung der Strommärkte sind für Thomas Oppermann, Fraktionsvorsitzender der SPD, Projekte, die seine Fraktion im nächsten Jahr bearbeiten will. Darüber hinaus sei deutlich geworden, dass sich der Fachkräftemangel durch den demographischen Wandel verschärfe und die Kommunen vor großen Herausforderungen bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und Migranten stehen. Im Interview plädiert Oppermann dafür, beide Herausforderungen gemeinsam zum Vorteil zu nutzen. Das Interview im Wortlaut:

Herr Oppermann, was war aus Ihrer Sicht der wichtigste Erfolg der SPD-Fraktion im Jahr 2014?

Wir haben von Anfang der Legislaturperiode an gut und konstruktiv gearbeitet. Angesichts der Tatsache, dass viele Abgeordnete unserer Fraktion zum ersten Mal in den Bundestag gewählt wurden, ist das eine tolle Leistung. Als besonders herausragende Projekte möchte hier vor allem die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns, die Rentenreformen, die Mietpreisbremse oder auch das Elterngeld Plus nennen.

Was halten Sie für die größte Herausforderung im kommenden Jahr? Welche thematischen Schwerpunkte will ihre Fraktion 2015 setzen?

Wir haben schon viel geschafft aber noch mehr vor. Als konkrete Projekte im nächsten Jahr stehen etwa Maßnahmen zum Bürokratieabbau und die Fortschreibung der Energiewende, insbesondere bei der Regulierung der Strommärkte, an. Wir haben in diesem Jahr das erste Mal seit 46 Jahren einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt. Damit zeigen wir: Diese Regierung wirtschaftet ordentlich und hat gleichzeitig noch Spielraum für wichtige Reformprojekte. Wir sehen aber auch, dass die öffentlichen und privaten Investitionen in Deutschland nach wie vor zu gering sind, um unsere Wettbewerbsfähigkeit auf Dauer zu sichern. Aus diesem Grund wird der Bund in den nächsten drei Jahren 10 Milliarden zusätzlich investieren.

Welche Ziele werden Sie als Fraktionsvorsitzender verstärkt verfolgen? Gibt es ein Thema, für das Sie sich persönlich besonders einsetzen wollen?

Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir unsere erfolgreiche Arbeit der vergangenen zwölf Monate fortsetzen können. Wir haben deutlich gemacht, dass die SPD die treibende Kraft dieser Regierung ist. Dabei soll es auch bleiben.

In diesem Jahr sind zwei Herausforderungen, vor denen Deutschland steht, besonders deutlich geworden. Auf der einen Seite sehe ich den bereits jetzt drängend werdenden Fachkräftemangel, der sich in den kommenden Jahren durch den demographischen Wandel weiter verschärften wird. Das ist für eine Exportnation wie Deutschland eine fatale Entwicklung. Auf der anderen Seite höre ich aus Kommunen und Ländern von großen Herausforderungen bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und Migranten. Zuwanderung ist für den Erhalt unserer wirtschaftlichen Stärke unverzichtbar. Wir müssen Wege finden, wie wir diese beiden Herausforderungen gemeinsam zu unserem Vorteil nutzen können. Konkret muss es darum gehen, mehr Menschen mit Migrationshintergrund in Ausbildung und Arbeit zu bekommen und auch langfristig in Deutschland zu halten. Dazu bedarf es gemeinsamer Anstrengung von Wirtschaft, Gewerkschaften und der Politik.

(hau/29.12.2014) (Anmerkung der Redaktion: gemeint war hier sicherlich der heutige, 19.12.2014, als Erscheinungsdatum)

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