Arbeitsmarkt USA versus EWU: Die entscheidende Ursache für die unterschiedliche Entwicklung und Schlussfolgerungen daraus

Heute meldete das Arbeitsministerium der Vereinigten Staaten von Amerika neue Erfolgszahlen vom Arbeitsmarkt: 252.000 neue Arbeitsplätze wurden im Dezember geschaffen, die Arbeitslosenquote ist auf 5,6 Prozent gesunken. Die durchschnittliche Arbeitslosigkeit hat sich 2014 gegenüber 2013 um 1,2 Prozentpunkte verringert. Der stärkste Rückgang seit 1984. Der Dezember 2014 war der 58. Monat in Folge, in dem die Beschäftigung in der Privatwirtschaft gestiegen ist. Insgesamt stieg sie um 11,2 Millionen Arbeitsplätze. Anders als das deutsche Arbeitsministerium unter Andrea Nahles oder die Europäische Kommission, die eine vergleichbare Erfolgsbilanz nicht vorlegen können, gibt sich das amerikanische Arbeitsministerium dennoch nüchtern und bescheiden:

Es gebe noch viel zu tun, so Arbeitsminister Thomas E. Perez. Und er nennt als erstes:

“Wir müssen mehr tun, um spürbare Lohnerhöhungen zu erreichen, weil zu viele Familien der Mittelklasse immer noch mehr arbeiten und weiter zurückfallen. Wir müssen mehr tun, um sicherzustellen, dass die Wirtschaft für alle arbeitet, um einen Wohlstand auf breiter Basis zu schaffen.” (Übersetzung WuG, im Original: We need to do more to achieve meaningful wage growth, because too many middle-class families are still working harder and falling further behind. We need to do more to ensure that the economy works for everyone, to create broadly-shared prosperity.)

Dann schaut er zurück auf das Jahr 2014: Drei Millionen neue Arbeitsplätze wurden 2014 geschaffen. Das beste Jahr seit 1999. Die überwiegende Zahl der neuen Jobs seien Vollzeitstellen. 2009, nach Ausbruch der Krise, standen jeder offenen Stelle sieben Bewerber gegenüber. Heute seien es zwei Bewerber. Laut der zuletzt in der Statistik für den Monat Oktober ausgewiesenen Zahl der offenen Stellen, entfielen in den USA 1,9 Arbeitslose auf eine offene Stelle. – In Deutschland waren es laut Berechnungen auf Basis der Zahlen der Bundesagentur für Arbeit im Oktober und November 5,3 und im zuletzt ausgewiesenen Dezember 5,6 Arbeitslose, die auf eine offene Stelle entfielen. Also rund dreimal so viele.

Gewiss, trotz dieser Erfolge liegt auch beim amerikanischen Arbeitsmarkt immer noch viel im Argen. Was musste dagegen aber das statistische Amt der EU-Kommission erst melden: “Arbeitslosenquote des Euroraums bei 11,5 Prozent”. Nicht nur, dass die Arbeitslosenquote in der EWU seit dem Frühjahr 2011 – mit Beginn der so genannten Austeritäts- oder “Rettungs”-Politik (staatliche Ausgabenkürzungen, Lohnsenkungen und Abbau von Arbeitnehmerrechten) – noch einmal kräftig gestiegen ist, nachdem sie nach dem gewaltigen Anstieg mit Ausbruch der Finanz- und Eurokrise, wie die in den USA, schon begonnen hatte wieder zu sinken. Sie hat sich von jenem Höhenflug auch bis heute nicht nennenswert erholt, während die in den USA beständig weiter gesunken ist.

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Diese unterschiedliche Entwicklung hat eine wesentliche Ursache:

Die amerikanische Politik stellt die Entwicklung am Arbeitsmarkt in einen klaren ursächlichen Zusammenhang mit der Konjunktur. Die EU-Kommission – allen voran die Bundesregierung – negiert diesen Zusammenhang und stellt stattdessen auf so genannte Strukturreformen ab (Senkung der Staatsausgaben, Lohnsenkungen, Abbau von Arbeitnehmerrechten). Diese aber belasten die Konjunktur, wie die nunmehr rund vierjährige Periode der “Rettungspolitik” eindrucksvoll belegt – ohne dass sich die politisch Verantwortlichen hiervon beeindrucken ließen. WuG hat auf diesen zentralen Unterschied immer wieder hingewiesen und diesen Zusammenhang auch empirisch sowohl für die EWU insgesamt als auch für einzelne Länder nachgewiesen.

Es ist rational nicht nachvollziehbar und intellektuell wie moralisch zutiefst verwerflich, dass gerade die deutschen Spitzenpolitiker und Spitzenfunktionäre meinen, sie dürften sich über diese Erkenntnisse hinwegsetzen. Es ist geschichtslos und menschenverachtend. Längst gefährdet diese politische Verantwortungslosigkeit auch den Zusammenhalt von Gesellschaften in einzelnen Ländern der EWU, auch im vermeintlichen Musterland Deutschland. Die Bundeskanzlerin, Angela Merkel, der Bundesfinanzminister, Wolfgang Schäuble, der Bundeswirtschaftsminister, Sigmar Gabriel, und die Bundesarbeitsministerin, Andrea Nahles, sind hierfür an führender Stelle verantwortlich, nicht erst, seitdem sie gemeinsam regieren. Dasselbe gilt für die Spitze der Bundesagentur für Arbeit. WuG hat dies immer wieder kritisch thematisiert. Neben den schlimmen Ergebnissen ihrer Politik macht betroffen, dass sich ihr wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischer Dogmatismus selbst über die Erfahrungen in den USA hinwegsetzt, mit denen sie in anderen politischen Fragen, auch jenen, in denen die USA kaum als Vorbild taugen, enge Allianzen schmieden.

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