Weltverbrauchertag, privater Konsum: Warum das Statistische Bundesamt und Heiner Flassbeck verkehrt liegen

Das Statistische Bundesamt hat heute anlässlich des Weltverbrauchertags eine Meldung zur Entwicklung der privaten Konsumausgaben herausgegeben. “2015: Stärkstes Wachstum der privaten Konsum­ausgaben seit dem Jahr 2000″, lautet die Botschaft des Statistischen Bundesamts. Die des Ökonomen Heiner Flassbeck: “Eine glatte Fehlinformation vom Statistischen Bundesamt zum Konsum”. Hätten beide doch einmal einen Blick in die nüchterne Statistik geworfen.

Flassbecks Kritikpunkt an der Meldung des Statistischen Bundesamts:

“Das Amt, dessen Aufgabe die wertneutrale Information über empirische Abläufe ist, schreibt im Begleittext auf seiner Pressemitteilung: ´Wesentliche Gründe für diesen deutlichen Anstieg liegen in der positiven Konsumneigung der privaten Haushalte sowie in der geringen Zunahme der Verbraucherpreise (2015: + 0,3 %)´. ´Die positive Konsumneigung´ aber, die eine positive Veränderung des Konsums erklären könnte, gibt es nicht. Positive Konsumneigung kann in diesem Zusammenhang ja nur heißen, dass die privaten Haushalte deswegen mehr konsumiert haben, weil die Sparquote gesunken ist. Das aber ist nach allem, was wir wissen, nicht der Fall.

Erklärt wird die Zunahme des realen Konsums fast ausschließlich von der Zunahme der realen Einkommen, während die Konsumneigung (nämlich die Neigung der Menschen, mehr oder weniger von diesem Einkommen auszugeben) unverändert geblieben ist.”

Folgen können wir Flassbecks Definition für “Konsumneigung”, denn “sparen” heißt “nicht konsumieren”. Falsch liegt er aber mit seiner Information, dass “die Konsumneigung (nämlich die Neigung der Menschen, mehr oder weniger von diesem Einkommen auszugeben) unverändert geblieben ist”.

Die Konsumneigung ist nämlich nicht gestiegen, wie in der Meldung des Statistischen Bundesamts behauptet, sie ist auch nicht unverändert geblieben, wie Flassbeck behauptet, sondern sie ist gesunken. So betrug die Sparquote im Jahr 2000 – auf das sich das Statistische Bundesamt ja bezieht – neun Prozent, im Jahr 2015 aber 9,7 Prozent. Die Differenz macht immerhin 12 Mrd. Euro aus. Will heißen: Hätten die privaten Haushalte 2015 dieselbe Konsumneigung (Sparquote) wie im Jahr 2000 gehabt, hätten sie für 12 Mrd. Euro mehr konsumiert. Auch gegenüber Vorjahr ist die Sparquote in 2015 gestiegen, von 9,5 in 2014 auf 9,7 Prozent, die Konsumneigung also gesunken.

Betrachtet man übrigens den gesamten Beobachtungszeitraum, den das Statistische Bundesamt zur Verfügung stellt, kommt man zu dem Ergebnis, dass, gemessen an der Sparquote, die Konsumneigung 2015 zumindest im Vergleich mit den Jahren 1980 bis 1991 im früheren Bundesgebiet und nach der Wiedervereinigung mit den Jahren 1991 bis 1998 und 2003 bis 2010 tatsächlich höher ausfällt. Die Sparquote schwankt im erst genannten Zeitraum zwischen 11,3 und 13,7 Prozent. Dann, nach der Wende, ist sie von 12,6 Prozent (1991) stetig auf neun Prozent im Jahr 2000 gesunken. Im Jahr 2001 lag die Sparquote allerdings bereits wieder bei 9,6 Prozent und stieg danach weiter auf wieder über zehn Prozent. Einen Wert, den sie erst 2011 wieder unterschritten hat.

Es gilt darüber hinaus eine weitere Aussage von Flassbeck zu hinterfragen: “Erklärt wird die Zunahme des realen Konsums fast ausschließlich von der Zunahme der realen Einkommen.” Eine empirische Untersuchung, die in Kürze im Abonnement erscheint, rückt vielmehr die nominale Entwicklung in den Mittelpunkt. Das ist auch insofern von Bedeutung, als dass dies die Bedeutung der derzeit niedrigen Inflationsrate relativiert.

Anmerkung vom 16.03.2016: Siehe ergänzend jetzt auch zur begrenzten Aussagekraft der Sparquote hier und den Beitrag: Konsumneigung: Fragen an das Statistische Bundesamt.


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