Wie Deutschland am Euro-Rettungsschirm verdient (21.01.2011)

Bundeswirtschaftsminister Brüderle warnte bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichtes: “Wir können den Rettungsschirm nicht bedingungslos weiter aufblähen.” Und: “Damit wäre der Weg in die Transferunion geebnet.” In diesem Zusammenhang sprach sich Brüderle – wie die Bundeskanzlerin - auch gegen gemeinsame Euro-Staatsanleihen aus: “Sie würden letztlich nur die erfolgreichen Länder mit höheren Zinsen bestrafen.”

Wie die “Transferunion” in Wirklichkeit aussieht, war gestern von keinem geringeren als dem Leiter des EU-Rettungsfonds, Klaus Regling, zu hören:
“Nicht nur, dass wir keinen Verlust machen; wir werden einen Gewinn machen, denn wir schlagen eine Marge auf unsere eigenen Zinskosten auf, die von Irland gezahlt werden muss, und die fließt natürlich letztlich in die Haushalte unserer Mitgliedsländer, die die Garantien zur Verfügung stellen. Das ist ganz normal, eine Prämie für die Garantien. Im Falle Griechenlands zum Beispiel, wenn dort das gesamte Programm ausgezahlt ist, die gesamte Summe von 80 Milliarden Euro von den EU-Staaten, davon 20 Milliarden von Deutschland, dann fließen jährlich in den Bundeshaushalt 600 Millionen Euro. Das ist die Prämie für die Garantie und die Wahrscheinlichkeit, dass hier der Bundeshaushalt einen Gewinn macht durch diese Operationen, ist größer, als dass es einen Verlust gibt.”

 

Da verdienen Länder wie Deutschland also tatsächlich kräftig an der Krise in der Eurozone. Die von Brüderle mit schulmeisterisch erhobenen Zeigefinger als Schreckenszenario an die Wand gemalte Transferunion steht Kopf.

Auf Grundlage seines Märchens irrt Brüderle Grimm auch, wenn er Euro-Staatsanleihen verteufelt, indem er davor warnt, dass Deutschland dann durch höhere Zinsen bestraft würde. Bestraft durch immens höhere Zinsen werden momentan die Länder der Eurozone, die durch die Finanzkrise in Not geraten sind. Die Finanzkrise wurde aber nicht durch unsolide Staatsfinanzen verursacht – sie sind die Folge -, sondern durch Banken und andere Finanzjongleure, die bei ihren Spekulationsgeschäften nicht zu letzt auch wegen einer immer laxeren deutschen Gesetzgebung freies Spiel hatten.

Hinzu kommen die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone, für die maßgeblich die einseitig auf Exporterfolge setzende deutsche Wirtschaftspolitik verantwortlich zeichnet; hierfür ursächlich ist wiederum die Gesetzgebung für die Sozialsysteme und den Arbeitsmarkt, wie sie die Bundesregierungen seit Schröder massiv durchgeboxt haben. In deren Folge hat die Lohnentwicklung nicht mit der Produktivitätsentwicklung schritt gehalten; der statistische Ausdruck dieses Vorgangs ist die Entwicklung der Lohnstückkosten; sie haben sich in keinem anderen Land der Eurozone schwächer entwickelt als in Deutschland. Hierüber verliert Brüderle kein Wort.

Unberücksichtigt lässt der Bundeswirtschaftsminister auch Einschätzungen des Wirtschaftsweisen Bofinger, wonach Euroanleihen keineswegs ein höheres Zinsniveau nach sich ziehen müssen. Und: Ein Blick in den aktuellen Monatsbericht der Deutschen Bundesbank zeigt, dass Deutschlands Refinanzierungskosten inmitten der Eurokrise einen Tiefstand erreicht haben.

Vor diesem Hintergrund ist es eine Zumutung für jeden an die europäische Idee glaubenden Menschen, wenn der deutsche Wirtschaftsminister – und vorneweg die Bundeskanzlerin – Deutschland als Opfer möglicher gemeinsamer Rettungsanstrengungen für die Eurozone darstellen. Deutschland ist nicht Opfer, Deutschland ist Täter – und die Bundesregierung steht damit in besonderer Verantwortung für den weiteren Verlauf des europäischen Einigungsprozesses. Europa braucht eine Transfairunion. Eine Transferunion ist im übrigen jeder Staatenbund, der einen Ausgleich zwischen Regionen mit unterschiedlicher Wirtschaftskraft bzw. unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungsniveaus schaffen muss. Anders hat der europäische Integrationsprozess nie funktioniert – und wird nicht funktionieren.


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