“Wirtschaftsweiser” Feld weiß nicht, warum Politiker nicht auf ihn hören – er sollte bei sich und seiner etablierten Zunft nach Antwort suchen

Der “Wirtschaftsweise” Professor Lars Feld, Direktor des Walter Eucken Instituts an der Universität in Freiburg, wurde heute früh im Deutschlandfunk gefragt, warum die Politiker nicht auf ihn und seine Kollegen hören. Seine Antwort: “Das weiß ich nicht ganz genau.”

Lars Feld ist einer jener “renommierten” Ökonomen, die den jetzt schon über Tage von der Presse viel zitierten Aufruf 17 europäischer Wirtschaftswissenschaftler mit verfasst hat.

Jeder einigermaßen informierte und aufgeschlossene Ökonom wird sich ohnehin gefragt haben: Warum erst jetzt? Auch darauf wüsste Feld wahrscheinlich nur zu antworten: “Das weiß ich nicht genau.”

Und doch liefert Feld alle Antworten, die das beängstigende Scheitern – inhaltlich, nicht was ihre Karriere anbelangt – deutscher Ökonomen in höchsten Ämtern erklären.

In klaren Worten versteht es Feld zunächst immerhin, die Regierungspolitik und ihre Orientierungslosigkeit in wenigen Sätzen zusammenzufassen:

“Ich gehe davon aus, dass die Politik große Zweifel hat, mit wirklich umfassenden Maßnahmen gegen die Euro-Krise vorzugehen. Sie könnten sagen, da wird mit Trippelschritten vorgegangen, man versucht also, immer wieder dann, wenn ein neues Problem auftritt, die Probleme aus dem Weg zu räumen. Eine umfassende Lösung ist dabei nicht in Sicht.”

Den Grund für die Lähmung der Politik sieht Feld vor allem darin, dass die Regierung befürchte, “dass sie zu sehr in Haftung genommen wird.”

Während Feld die Regierung versteht, versteht er aber ganz offensichtlich sich selber nicht. Auf die Frage nämlich, ob die Regierung mit ihren Befürchtungen Recht habe, antwortet er:

“Auf der einen Seite hat sie damit Recht, dass sie vorsichtig ist, denn man muss ja bei diesen umfassenden Lösungen immer auch aufpassen, was von der Gegenseite an Sicherheiten geliefert wird, also was die Länder, die bei einer gemeinschaftlichen Haftung vor allen Dingen profitieren, bieten können, damit sichergestellt ist, dass die Bundesregierung ihr Geld wieder zurückbekommt. Aber auf der anderen Seite löst das nicht die Probleme auf den Finanzmärkten und die Anleger werden nun immer nervöser.”

Wie aber sollen Ökonomen mit solchen Ratschlägen bzw. Einschätzungen der Regierung Orientierung geben? – Es sind eben die Ökonomen selbst, die die Regierung ratlos zurücklassen bzw. ihr die falschen Rezepte an die Hand geben. Felds “einerseits und andererseits” und seine Fokussierung auf die Bedürfnisse der Anleger an den Finanzmärkten ist eben Beleg dafür, dass die etablierte Ökonomenzunft in Deutschland selbst bis heute nicht die “umfassende Lösung” geliefert hat, die Feld bei der Regierung vermisst.

Das zeigt auch seine anschließende Antwort: “Die Politik unterschätzt das systemische Element, die systemische Eigenschaft dieser Krise.”

Da horcht der geneigte Ökonom zunächst erfeut auf. Ist da tatsächlich Einsicht eingekehrt in die von mathematischen Modellen vernebelten, weil an Theorie, Empirie und Wirtschaftsgeschichte armen Köpfe? Das aber wäre nun wirklich zuviel verlangt. Worin sieht Feld also das “systemische Element der Krise”? Er sieht es nicht etwa in den auseinandergelaufenen nationalen Inflationsraten im europäischen Währungsraum, der die Wettbewerbsfähigkeit der Länder vollkommen aus dem Gleichgewicht gebracht hat und damit das Fundament der Währungsunion; nein, wenn es nach Feld geht, sieht die Politik “unzureichend, dass die Anleger auf den Finanzmärkten befürchten, ihr Geld nicht mehr wiederzubekommen, wenn es in Euro angelegt ist.”

Feld sieht die Ursache für steigenden Zinsen in den Krisenländern, die er zurecht als Problem benennt, nicht etwa in der Spekulation mit Staatspapieren, sondern als Folge, dass sich immer mehr Anleger aus Europa verabschieden, weil sie das Auseinanderbrechen der Währungsunion befürchteten. Das ist nun wirklich toll! Als hätten die Spekulanten nicht gerade darauf gewettet, dass die Währungsunion eben nicht auseinanderbricht, und, ausgehend davon, dass die Staaten noch jedesmal genügend Milliarden bereitstellen, um auch noch das Bedienen der höchsten Zinslasten zu gewährleisten. Für Feld aber ist sein Ursachenszenario “genau der Kern des Problems, der zu wenig erkannt wird von der deutschen Bundesregierung.” Feld: “Sie sieht unzureichend, dass die Anleger auf den Finanzmärkten befürchten, ihr Geld nicht mehr wiederzubekommen, wenn es in Euro angelegt ist. Im Moment ist es tatsächlich so, dass viele Anleger das Auseinanderbrechen der Euro-Zone befürchten.” Was aber war vorher?

Feld kann auch nicht schlüssig erklären, wie der ebenfalls vom Sachverständigenrat seit langem geforderte und auch jetzt wieder hervorgeholte Schuldentilgungsfonds aus der Krise herausführen soll. Feld: “Aber der Fonds sieht andererseits vor, mit einer Vielzahl von Maßnahmen ein relativ striktes Korsett zu bieten, damit die Länder sich an die Tilgungsvorgaben halten, damit sie die Schulden tatsächlich auch zurückführen. Und nur über den Fonds ist es dann überhaupt möglich, einen Konsolidierungserfolg in dem vorgesehenen Zeitraum zu haben und die Strukturreformen auch zum Erfolg zu führen.”

Da sind sie wieder: die Strukturreformen. Eine Entschuldung bringt aber gar nichts – Griechenland hat ja bereits eine hinter sich -, wenn eben die “Strukturreformen”, die maßgeblich auf Ausgabenkürzungen zielen und damit das Wirtschaftswachstum der betroffenen Länder weiter nach unten drücken und den Schuldenstand entsprechend wieder oder weiter in die Höhe treiben, nicht ad acta gelegt werden. Nicht Ausgabenkürzungen, sondern nur Ausgabenüberschüsse führen aus einer Wirtschaftskrise. Solange die herrschenden Ökonomen dies nicht klar sagen und jeder anderen Ausrichtung der Wirtschaftspolitik in der Krise scharf widersprechen, wird wohl auch die Politik nicht zu einer “umfassenden Lösung” der Eurokrise finden bzw. erst dann, wenn ihnen die Währung entgültig um die Ohren fliegt und sie dann zu umso heftigeren Eingriffen gezwungen sein wird.

Auf die Frage – ein großes Lob an den Moderator Dirk Müller! -, ob Feld “als Sachverständiger, als Wirtschaftsweiser den Spareffekt am Beispiel Griechenland auch unterschätzt” habe, “im Vorfeld, mit all diesen negativen Folgen?”, muss Feld dann auch ausweichen: Nicht nur die Konsolidierungsmaßnahmen seien es in Griechenland gewesen, die dort das Bruttoinlandsprodukt in den Keller getrieben haben. Feld:

“Griechenland hat eine Wirtschaftsstruktur, die dann doch deutlich entfernt ist von den modernen Wirtschaftsstrukturen, die wir ansonsten in den Ländern der Euro-Zone sehen.”

Warum denn bloß machen eben jene Konsolidierungsmaßnahmen aber auch Irland, Portugal, Spanien und Italien den Gar aus?

Wie substanzlos Feld als Ökonom ist, zeigen dann seine folgenden Ausführungen:

“Mit vielerlei Hinsicht handelt es sich dabei um eine Wirtschaftsstruktur, die denen der Schwellenländer ähnelt. Was man in Griechenland dringend braucht, das ist das, was die Weltbank “State Building” nennt. Investoren werden nicht in ein Land investieren, bei dem sie einerseits fürchten müssen, dass die existierende Währung irgendwann nicht mehr in dem Land gültig ist, und auf der anderen Seite investieren sie aber auch nicht, wenn sie sich nicht sicher sein können, dass die Investitionen wieder zurückgebracht werden ins Heimatland. Das hat damit zu tun, dass Eigentumsrechte in Griechenland nicht hinreichend gesichert sind. Wenn man dort ein Grundstück kauft, weiß man nachher nicht, ob es einem gehört oder nicht gehört. Also die grundsätzlichen Voraussetzungen für Investitionen, Rechtssicherheit, die sind in Griechenland nicht in hinreichendem Maße vorhanden, und dann bricht die Wirtschaft halt entsprechend ein.”

Warum haben denn Unternehmen vor der Krise in Griechenland investiert? Und: Warum investieren ausländische Unternehmen Milliarden in China und Russland wie auch in vielen anderen Schwellenländern ohne sichere Eigentumsrechte? Weil dort etwas wächst und es darum geht, in jenen wachsenden Volkswirtschaften Absatzmöglichkeiten zu erschließen. Keine Spur von Konsolidierungsmaßnahmen inmitten einer Wirtschaftskrise in China oder anderswo außerhalb Europas.

Das alles fällt Feld nicht ein. Er hat offensichtlich auch keine Ahnung von “statebuilding” in Schwellenländern, wo es, sofern von Erfolg gekrönt, nie zuerst um betriebswirtschaftliche Rentabilität ging, sondern um die Erschließung neuer Produktionsstufen im Rahmen nachholender Industrialisierung, die häufig “gegen den Markt” und unter Missachtung jedweder Eigentumsrechte durchgesetzt wurden; häufig genug mussten “Märkte” überhaupt erst geschaffen werden. Zur Erklärung jener Zusammenhänge kann Walter Eucken – was ihm nicht vorzuwerfen ist, da dies nicht sein Gegenstand war – wenig oder nichts beitragen. Feld aber ist vorzuwerfen, dass er sich offensichtlich nicht bemüht, Wirtschaftsprozesse in ihrer Komplexität und Unterschiedlichkeit zu verstehen. Seine Herangehensweise erlaubt es ihm nicht einmal zwischen entwickelten industrialisierten Volkswirtschaften und nicht bzw. nicht vollständig industrialisierten Volkswirtschaften zu unterscheiden. Es spricht nicht gerade für Anspruchsdenken in der deutschen Volkswirtschaftslehre, wenn solch Ökonomen zu höchsten Weihen als Regierungsberater und Professoren gelangen. Dank ist dem Moderator Dirk Müller zu zollen, der Felds Defizite durch seine Fragen hervorgebracht hat.

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