Bund der Steuervermeider und Staatsschuldentreiber

Er nennt sich selbst Bund der Steuerzahler und gibt vor, im Interesse aller Steuerzahler zu handeln. Dass dem nicht so ist, ja, dass er in Wirklichkeit der Bund der Steuervermeider und Staatsschuldentreiber ist, hat kein Geringerer als eben dieser eingetragene und eingeschworene Verein selbst in den vergangenen Tagen erneut unter Beweis gestellt.

Nicht nur wehrt sich der Bund der Steuervermeider und Staatsschuldentreiber vehement gegen eine Besteuerung von Menschen mit sehr hohen Vermögen. Er wehrt sich auch gegen gemeinsame europäische Staatsanleihen oder, wie er es angsteinflößend nennt: gegen eine “Vergemeinschaftung der Schulden“. Diese hätten “das Zerbrechen Europas aufgrund einer überdimensionierten Staatsverschuldung” zur Folge.

Dass Europa gerade daran zerbricht, dass alle Staaten ihre Staatsschulden mit der vom Bund der Steuervermeider und Staatsschuldentreiber empfohlenen Methode – “massive Ausgabenkürzungen” – versuchen abzubauen und gerade dadurch am Ende doch wieder mit höheren Staatsschulden dastehen, weil ihnen die Einnahmen weggebrochen sind, diese Wirklichkeit passt einfach nicht in die Ideologie des Bundes der Steuervermeider und Staatsschuldentreiber.

Gleichzeitig gegen Staatsverschuldung zu sein und gegen die vernünftige Besteuerung auch derjenigen mit sehr hohen Vermögen ist aber ein offensichtlicher Widerspruch. Schon gar nicht kann es im Interesse der vielen Steuerzahler liegen, dass einige wenige, aber in Geld schwimmende Bürger anders als in anderen zivilisierten Ländern keine Steuern auf ihren Reichtum zahlen und sich nicht angemessen an der Finanzierung des Gemeinwohls beteiligen.

Dass genau dies der Fall ist zeigt die folgende Graphik:

Vermögenssteuer im internationalen Vergleich (Zur Vergrößerung auf Graphik klicken.)

Selbst das Mutterland des Kapitalismus, England, kassiert Steuern auf Vermögen in Höhe von rund 4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes; die USA immerhin 3,2 Prozent und Frankreich 3,6 Prozent. Nur das reiche Deutschland drückt sich davor, Vermögen angemessen zu besteuern. Würde Deutschland gemessen an seiner Wirtschaftskraft ein Steueraufkommen wie in England aus Vermögen realisieren, würde dies nach den hier herangezogenen Vergleichszahlen Mehreinnahmen von etwa 80 Mrd. Euro entsprechen.

Würde Deutschland dieses Geld nicht gleich ganz zur Schuldentilgung einsetzen, sondern zumindest einen Teil davon sogleich in den Wirtschaftskreislauf geben, zum Beispiel um mehr Lehrer und Sozialpädagogen in den Schulen zu beschäftigen, die Investitionsrückstände in den Ländern und Kommunen in Angriff zu nehmen und die Energiewende voranzutreiben, würden über die dadurch steigende wirtschaftliche Aktivität und Beschäftigung die Einnahmen noch stärker sprudeln und die Ausgaben für Arbeitslosigkeit sinken. Staatsdefizite und Staatsschulden wären sehr schnell kein Thema mehr. Die Steuerlast und das Klagen darüber auch nicht, denn eine steigende Beschäftigung, zumindest wenn es sich um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse handelt und nicht um die Ausweitung des Nierdiglohnsektors, zieht in der Regel auch höhere Löhne nach sich; gleichzeitig würden die Menschen sehen und erfahren, dass sich das Leben um sie herum verbessert: Schulen, Straßen und andere Gebäude würden in neuem Glanz erstrahlen, endlich würden wieder genügend Sozialwohnungen gebaut werden können, die Kinder kommen glücklich, weil gut betreut nach Hause und bringen bessere Noten mit und so weiter. Wer will sich da noch über vermeintlich hohe Steuern ärgern oder gar aufregen?

Niedrige Steuern, gerade für große Unternehmen, Besserverdienende, Spekulanten und Vermögende machen eine solch positive Entwicklung unmöglich, treiben aufgrund der ständigen Unterfinanzierung der öffentlichen Haushalte die öffentlichen Defizite und Staatsschulden nach oben und machen die Menschen unzufrieden. Diese unzufriedene Stimmung versuchen die Bauernfänger vom Bund der Steuervermeider und Staatsschuldentreiber natürlich immer wieder und, mit tatkräftiger Unterstützung einschlägiger Medien, durchaus erfolgreich für sich auszuschlachten und anzustacheln. Wie durch diese Ausführungen deutlich geworden sein sollte, tut der Bund der Steuervermeider und Staatsschuldentreiber dies jedoch nicht für die Steuerzahler, sondern für sich und seine Klientel.

Die ist nach eigenen Angaben im Vergleich zur Gesamtbevölkerung finanziell sehr gut bestallt: So tragen die 360.000 Leser des Vereins-Magazins, das fälschlicherweise “Der Steuerzahler” und nicht “Der Steuervermeider” heißt, eigenen Angaben zu Folge im Durchschnitt jeden Monat über 3800 Euro netto nach Hause. Rund 40 Prozent dieser Leser haben jeden Monat 500 Euro und mehr übrig. Es liegt nahe, dass so viel Überfluss auch über kurz oder lang zu hohen Vermögen führt. Wenn das kein Grund ist, die so entstandenen Vermögen etwas zu besteuern und so zu helfen, das Gemeinwohl mit zu finanzieren. Freilich, das sei abschließend noch bemerkt, darf das die Politik und auch die Gewerkschaften nicht davon abhalten, sich dafür einzusetzen, die anderen Ungerechtigkeiten – wie die Beitragsbemessungsgrenzen in den Sozialversicherungen -, zu beseitigen.


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