Armutsbericht der Bundesregierung: Es genügt nicht, sich zu empören – Ein Gastkommentar von Elke Hannack

Wirtschaft und Gesellschaft hat verschiedene Persönlichkeiten in gesellschaftlicher und politischer Verantwortung gebeten, den Entwurf des Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zu kommentieren. Elke Hannack macht den Auftakt. Elke Hannack ist seit 2007 Mitglied im ver.di-Bundesvorstand und zuständig für die Bereiche Sozialpolitik, Gesundheitspolitik, Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik, Schwerbehindertenpolitik, Erwerbslose, Migrantinnen und Migranten.

Elke Hannack

Das einhellige Resümee der Presseberichterstattung zum Entwurf des vierten Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung, der am 18. September 2012 seinen Weg in die Öffentlichkeit fand, ist wenig überraschend und ruft beim aufmerksamen Lesen dennoch spontan Empörung hervor: Wohlstand ist in Deutschland zunehmend ungleich verteilt!

Die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland klafft immer weiter auseinander. Die reichsten zehn Prozent der deutschen Bevölkerung verfügen über mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens, während der Staat zunehmend Vermögensverluste hinnehmen und sich die untere Hälfte der Bevölkerung mit knapp einem Prozent des Gesamtvermögens begnügen muss.

Diese grobe und immer stärker zunehmende Verteilungsungerechtigkeit trifft in besonderem Maße die Kinder einkommens- und vermögensschwacher Elternhäuser sowie die wachsende Zahl älterer Menschen im Land. Mit dem erneuten Rückgriff auf die vermeintlich niedrige Zahl derer, die die Kriterien der Bedürftigkeit erfüllen und Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung haben, schafft es der Bericht dennoch nicht, über die zunehmende Gefahr der Altersarmut als Folge der drastisch anwachsenden Erwerbsarmut hinwegzutäuschen.

Geradezu skandalös mutet in diesem Zusammenhang die leichtfertige Verteidigung prekärer Beschäftigungsformen seitens der zuständigen Ministerin für Arbeit und Soziales, Ursula von der Leyen, an. Hier fehlt es an einer ehrlichen und vorausschauenden Betrachtungsweise, die verdeutlichen müsste, dass die stabile Zahl der Normalarbeitsverhältnisse einem stetigen Anstieg prekärer Beschäftigung gegenübersteht. Somit nimmt im Verhältnis die Zahl dieser – für die Betroffenen mit erheblichen negativen Konsequenzen und Risiken behafteten – unsicheren Beschäftigungsformen kontinuierlich zu. Hinzu kommt, dass der Zugang zu einem solchen „normalen“ Vollzeit-Arbeitsverhältnis für ältere und junge Menschen und Geringqualifizierte meist erheblich erschwert und schon lange kein Garant mehr für ein auskömmliches Einkommen ist.

In einem Land wie Deutschland genügt es aber nicht, sich darüber zu empören, dass ein Großteil der Bevölkerung nur über einen winzigen Bruchteil des Gesamtvermögens verfügt und zugleich bestenfalls mit stagnierenden Löhnen, zunehmender persönlicher Unsicherheit wegen prekärer Beschäftigung, sinkendem Rentenniveau und damit einhergehend einem steigenden Risiko für Altersarmut kämpfen muss.

Vielmehr verdeutlicht der Entwurf des Armuts- und Reichtumsberichts die Schwäche der Reformmaßnahmen der aktuellen Bundesregierung und unterstreicht die Notwendigkeit, endlich sinnvoll und gerecht zu handeln. Der offensichtlich ausreichend vorhandene Reichtum in Deutschland muss „umFAIRteilt“ sowie in Form öffentlicher Investitionen, eines gesetzlichen Mindestlohns von mindestens 8,50 Euro pro Stunde und durch die Sicherung des aktuellen Rentenniveaus im Sinne der Gesamtbevölkerung genutzt werden können.

umFairteilen – Reichtum besteuern – Bundesweiter Aktionstag am 29.09.2012

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