SPD-Spitze kann sich auch in der Rentenfrage nicht von ihrer Vergangenheit lösen – Um eine Politik für die Menschen durchzusetzen, müsste sich die SPD-Linke an ihre Basis wenden
Und was sagt die SPD dazu?

Den mit Abstand besten Bericht zur heutigen SPD-Vorstandssitzung liefert die Nachrichten-Agentur Reuters. Zum einen stellt der Bericht die Rentendebatte in der SPD in den Kontext der Agenda 2010 und schlägt die Brücke zu den Kanzlerkandidaten:

“Ex-Finanzminister Peer Steinbrück und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier gehören zu den Architekten der Agenda 2010, deren Bestandteil die Rentenreform war. Sollten die damaligen Rentenbeschlüsse größtenteils zurückgedreht werden, dürfte dies der Glaubwürdigkeit beider Politiker schaden.”

Das gilt schließlich auch für SPD-Chef Sigmar Gabriel, der die Agenda 2010 bis heute verteidigt und hierzu die immer wieder gleichen, längst widerlegten Begründungsmuster heranzieht: Die “Reform” des Arbeitsmarktes hätte für steigende Beschäftigung gesorgt, die Renten”reformen” seien notwendig gewesen, weil sonst die Rentenleistungen nicht bezahlbar wären usw.

Als hätte es noch eines Beweises bedurft, dass Gabriel als zäher Verteidiger der Agenda 2010 und der Renten”reformen” Steinbrück und Steinmeier in nichts nachsteht, ging Gabriel am heutigen Montag davon aus, “dass das Rentenniveau auf 45 Prozent sinken könnte und erklärte mit Blick auf die Kritiker, nach seiner Überzeugung drohe damit nicht Altersarmut.

Als ob dies eine Frage “seiner Überzeugung” sei. Der WSI-Wissenschaftler Eric Seils hat gerade vergangene Woche mit den neuesten Daten des Statistischen Bundesamtes zur Armutsentwicklung nachgewiesen, dass selbst das heutige Rentenniveau schon für eine steigende Altersarmut verantwortlich zeichnet. “Die Altersarmut steigt seit Jahren”, ist sein Beitrag überschrieben.

Zum anderen geht aus dem Bericht hervor, dass sich “die Rentenformel selbst, nach der die Höhe der Renten ermittelt werden“, wenn es nach dem SPD-Parteivorstand geht, nicht ändern soll. Die Änderung der Rentenformel unter rot-grün aber ist eine der zentralen Ursachen für steigende Altersarmut.

Gut auch, dass der Reuters-Bericht noch einmal darauf hinweist, dass es um eine Absenkung eines Rentenniveaus geht, das schon jetzt nur noch 50 Prozent des Netto-Lohn entspricht! Wirtschaft und Gesellschaft hat über eine Auswertung von OECD-Daten zu internationalen Brutto- und Nettorentenniveaus gezeigt, dass unsere Nachbarländer sich wesentlich höhere Rentenniveaus leisten – noch: denn sie werden ja seit Jahren schon durch unser Lohn- und Rentendumping unter Druck gesetzt. Selbst die SPD-Linke muss sich also fragen, warum es nur bei den heutigen 50 bzw. 51 Prozent Rentenniveau bleiben soll, das laut WSI-Forscher Seils schon heute für steigende Altersarmut sorgt.

Vor allem aber hat das Ergebnis der Vorstandssitzung ein weiteres Mal gezeigt, dass die SPD-Linke im Vorstand nicht durchsetzungsfähig ist. Allein, dass sie bei der Erstellung des Rentenkonzepts von Gabriel nicht oder nicht angemessen einbezogen wurde; was ist im übrigen in all den vorangegangen Rentenkommissionen herausgekommen? Richtig: Nichts bzw. steigende Altersarmut. Das müssen sich auch daran beteiligte Rentenpolitiker wie Ottmar Schreiner eingestehen bzw. fragen lassen. Warum also nicht nach neuen Wegen suchen, wenn die alten immer wieder in die neoliberale Sackgasse führen?

Es wäre natürlich zu wünschen, dass es der SPD bis zum Parteikonvent im November gelingt ein wirklich tragfähiges Rentenkonzept gegen Altersarmut zu entwickeln und dies dort bzw. auf dem Parteitag im Dezember durchzusetzen. An kritischen Stimmen fehlt es schließlich nicht. Die ganze Vorgeschichte wie auch das Ergebnis der heutigen Vorstandssitzung geben jedoch wenig Anlass zur Hoffnung.

Nicht nur das Verhalten der SPD-Spitze, auch die Personen, die zur Kanzlerkandidatur “zur Wahl” stehen, und die untrennbar mit der Politik verbunden sind, die für die steigende Altersarmut und andere soziale Einschnitte und ökonomische Fehlentwicklungen verantwortlich zeichnet, spechen dafür: Die SPD-Linke sollte sich mit Ihren Vorschlägen an die Parteibasis wenden und auf ihre Einbeziehung bzw. Abstimmung über ein neues Rentenkonzept drängen – genauso wie über die Kanzlerkandidatur. Was letztere anbelangt gehört dazu natürlich – damit es wirklich eine Auswahl gibt – ein Kandidat bzw. eine Kandidatin der SPD-Linken.

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