Auf die gesetzliche Rentenversicherung zurückbesinnen und weitere Absenkung des Rentenniveaus stoppen – eine Stellungnahme von Angelika Graf zur aktuellen Rentendebatte in der SPD

Angelika Graf

Nachdem sich die Bundestagsabgeordnete und Bundesvorsitzende der AG SPD 60 plus, Angelika Graf, bereits vor der heutigen Vorstandssitzung der SPD, in der das Rentenkonzept von Parteichef Gabriel diskutiert wurde, kritisch zu eben diesem Rentenkonzept geäußert hatte, hat Wirtschaft und Gesellschaft sie um eine ausführlichere Stellungnahme hierzu gebeten.

Lebhafte Debatte

Ich halte nichts vom Konzept von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen für eine Zuschuss-Rente, die in meinen Augen ein Placebo ist. Wofür ich ihr aber dankbar bin, ist die von ihr ausgelöste, breite öffentliche Debatte über Altersarmut.

Dies ist eine dringende und wichtige Debatte. Es mag ja sein, dass Altersarmut heute noch kein Massenphänomen ist. Trotzdem ist es wichtig, jetzt – wo es noch geht – die Weichen zu stellen, damit sich das nicht ändert.

In der SPD haben wir derzeit – auch wegen der Beschlusslage des letzten Bundesparteitages – eine erfreulich lebhafte Debatte darüber, wie wir eine kommende Altersarmut vermeiden können. Dabei gibt es sehr viele unstrittige Punkte, wie zum Beispiel den gesetzlichen Mindestlohn, Maßnahmen für mehr Beschäftigungschancen Älterer, Verbesserungen für die Erwerbsminderungsrente und eine „Solidar-Rente“. Angesichts des von derzeit 50 Prozent auf bis zu 43 Prozent im Jahr 2030 sinkenden Rentenniveaus halten aber viele in der SPD es für äußerst fragwürdig, ob das ausreichen kann, um Altersarmut zu vermeiden.

Riester-Rente – Ziel verfehlt

Der Grundgedanke der damaligen rot-grünen Rentenreformen, die von Schwarz-Gelb mitgetragen werden, war der Ausgleich des sinkenden Rentenniveaus durch die zusätzliche kapitalgedeckte Vorsorge im Rahmen der „Riester-Rente“. Angesichts der älter werdenden Gesellschaft mit einer steigenden Lebenserwartung und einer geringeren Zahl von potenziell Erwerbsfähigen wegen der niedrigen Geburtenrate sollte so das umlagefinanzierte Rentensystem stabilisiert werden. Man muss dazu sagen, dass diese Entscheidung in einer Zeit der Massenarbeitslosigkeit und maroder Sozialsysteme fiel – Deutschland galt als „kranker Mann“ Europas.

Bei jedem Gesetz sollte man nach einer Weile schauen, ob es seine Ziele erfüllt hat und also wirksam ist oder eben nicht. Trotz der Förderung kleiner Einkommen, so ist das Fazit der Riester-Förderung, werden diese nicht ausreichend erreicht. Nur ein Teil der Menschen hat eine private Vorsorge aufgebaut und nur ein Teil kann sich das – trotz staatlicher Zuschüsse – leisten. Die Riester-Rente erreicht also nicht das Ziel, die Senkung des Rentenniveaus großflächig aufzufangen. Dazu sind die dafür nötigen Verwaltungs- und Akquisekosten unverhältnismäßig hoch. Ich finde, dass der SPD kein Zacken aus der Krone bricht, wenn sie dies festzustellt und wir daraus die Konsequenzen ziehen.

Betriebsrente hat genau die gleichen Probleme wie die Riester-Rente – sie ist kein Ersatz für geringes Rentenniveau

Die Konsequenz kann aber nicht das Festhalten an der Absenkung des Rentenniveaus in Verbindung mit einer starken Förderung der Betriebsrente als weiterer, privater Säule im Rentensystem sein. Die Betriebsrente hat genau die gleichen Probleme wie die Riester-Rente – sie kann eine gute Ergänzung sein, aber ist kein Ersatz für ein geringeres Rentenniveau, denn nicht jeder wird und kann sie in der Realität erhalten, zumal eine Beteiligung der Arbeitgeber an der Finanzierung völlig unklar ist. Und sich auch hier die Renditefrage stellt.

Weitere Absenkung des Rentenniveaus stoppen und Rückbesinnung auf Gesetzliche Rentenversicherung

Ich plädiere mit vielen anderen in der SPD dafür, die weitere Absenkung des Rentenniveaus zu stoppen. Statt eine weitere Säule mit viel Bürokratie und Kosten aufzubauen, sollten wir uns auf die Gesetzliche Rentenversicherung zurückbesinnen. Ja es stimmt – das wird nicht kostenlos sein. Ich glaube aber, dass die Sicherheit oder zumindest eine größere Sicherheit, im Alter unabhängig und versorgt zu sein, den meisten Menschen im Land wichtiger ist, als die Frage ob sie einen Rentenbeitrag von 20 oder 22 Prozent zahlen müssen. Der DGB hat vernünftige Vorschläge geliefert, wie wir durch das Vorziehen der Erhöhung der Beiträge eine Demografiereserve in der Rentenversicherung aufbauen können, um die Belastung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zeitlich zu verteilen.

Kommender Parteitag könnte Aufbruchsignal werden – wenn SPD auf Senkung des Rentenniveaus verzichtet

Der kommende Parteitag der SPD kann zu einem Aufbruchsignal werden, wenn wir dort mit dem Verzicht auf die Senkung des Rentenniveaus einen wirklichen Beitrag gegen Altersarmut beschließen und die bestehenden Sorgen ernst nehmen. Dafür werbe ich.

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