Steinbrück hat keineswegs Boden gut gemacht – seine Angaben zu seinen Nebeneinkünften disqualifizieren ihn nachhaltig als Kanzlerkandidaten und Bundestagsabgeordneten

Was ist das eigentlich für ein Budenzauber: Da macht einer den Riesenreibach mit ein paar Vorträgen und schreckt dabei auch nicht davor zurück, in seiner politischen Wahlheimat Nordrhein-Westfalen Unternehmen abzugreifen, an denen klamme Kommunen beteiligt sind  – wobei wohl auch zu diskutieren wäre, ob da nicht ein paar Unternehmenschefs zur Verantwortung gezogen werden müssen, die solch Unsummen für diesen Redner ausgegeben haben. Und dann geriert sich Steinbrück als der große Vorreiter in Sachen Transparenz – und die Medien spielen mit. Hier ein Beispiel von der öffentlichen facebook-Seite des großen Transparenz-Meisters:

Und was sagt sein Vorsitzender dazu? Der ist natürlich ganz aus dem Häuschen über seinen gläsernen Kanzlerkandidaten.

Lassen wir einmal diese dümmlichen parteitaktischen Spielchen des SPD-Chefs so stehen. Wichtiger ist: Dass Steinbrück immer noch nicht verstanden hat, worum es im Kern bei der Kritik von Nebentätigkeiten von Abgeordneten geht, zeigt dieser Satz, den er auf der eigens einberufenen Pressekonferenz aussprach:

“Bei vielen dieser Vorträge waren übrigens Journalisten, Kolleginnen und Kollegen von Ihnen anwesend; eine Vielzahl von Ihnen haben übrigens diese Veranstaltungen auch moderiert; ich könnte mir vorstellen, auch unter Inanspruchnahme von Honoraren…”

Das ist doch ein unglaublicher Vorgang – seine Mimik dazu ist übrigens wirklich sehenswert. Was Steinbrück damit deutlich macht ist, dass ihm bis heute nicht klar ist, was ihn als Bundestagsabgeordneten von diesen Journalisten unterscheidet: Er wird nach Artikel 48 Absatz 3 des Grundgesetzes entschädigt, damit seine Unabhängigkeit als Abgeordneter gewahrt bleibt; die Journalisten aber müssen damit ihren Lebensunterhalt verdienen.

Keinem der anwesenden Hauptstadt-Journalisten scheint dies aufgestoßen zu sein.

Steinbrück lobt sich mit dieser Veröffentlichung seiner Nebentätigkeit tatsächlich selbst als “Beispiel” (Steinbrück: “Mit meiner Veröffentlichung möchte ich ein Beispiel geben, das jetzt andere Parteien im Deutschen Bundestag aufnehmen sollten…”) und meint damit beweisen zu können, dass er nicht in Abhängigkeit von denen stünde, die ihm solche Vorträge finanzieren. Steinbrück bezeichnet letzteres als “absurden Verdacht”.

Am 6. Oktober sagte derselbe Steinbrück noch im Interview mit dem Deutschlandfunk: “Ich glaube, dass es Transparenz nur in Diktaturen gibt und dass die Art der Debatte, die wir führen, der Politik und der, sagen wir mal, politischen Klasse auch nicht guttun.“

Und wie kann eine Auflistung über hohe Summen, die von vielen Privatunternehmen an Steinbrück geflossen sind, nun ausgerechnet als Beleg dienen, dass dies keine wie auch immer geartete Abhängigkeit hervorrufen könnte?

Überzeugend ist das alles nicht. Greifen wir nur einmal den Fall auf, den der Geschäftsführer von Abgeordnetenwatch.de, Gregor Hackmack, gestern im Interview mit dem Deutschlandfunk anführte:

“25.000 Euro ist ungewöhnlich, im Schnitt hat Herr Steinbrück 15.000 Euro pro Vortrag genommen. Es gibt aber auch noch andere Vorträge, die nicht unproblematisch sind. Beispielsweise hat er einen Vortrag vor einer Rechtsanwaltskanzlei Freshfields gehalten – 2011. Die gleiche Kanzlei hatte er als Finanzminister im Jahr 2008 mit der Ausarbeitung des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes beauftragt, das war ein Millionenauftrag.“

Und Hackmack hat noch ein weiteres mögliches Vergehen Steinbrücks im Blick:

“Wir werden uns die Fälle genau anschauen. Es sind ja immerhin 89 hoch bezahlte Vorträge. Übrigens zur gleichen Zeit hat Herr Steinbrück nur fünf Reden im Parlament gehalten. Also, da gibt es auf jeden Fall ein Missverhältnis. Und insofern muss sich Herr Steinbrück auch fragen lassen, ob er seine Abgeordnetentätigkeit in den letzten Jahren nicht vernachlässigt hat. Er hat beispielsweise auch ein Viertel der wichtigen namentlichen Abstimmungen verpasst und nachweislich auch mehrere Bundestagssitzungen geschwänzt, um am gleichen Tag eben hoch bezahlte Vorträge zu halten. Das geht nicht, das Abgeordnetengesetz ist da sehr eindeutig, danach muss die Abgeordnetentätigkeit im Mittelpunkt der Berufsausübung stehen. Ob das bei Steinbrück der Fall gewesen war in den letzten drei Jahren, das wagen wir zu bezweifeln.”

Lassen wir zum – vorläufigen – Ende eine Sozialdemokratin und Gewerkschafterin zur Causa Steinbrück zu Wort kommen, die wohl eher die Stimmung an der Parteibasis trifft als der oben aufgegriffene Parteivorsitzende:

“Wie kann an der so genannten Basis für einen Kanzlerkandidaten der SPD Peer Steinbrück ein engagierter und überzeugender Wahlkampf geführt werden, wenn er in der vergangenen Legislaturperiode mit über 80 honorierten Beiträgen mehr als 1,2 Mio Euro verdient und zusätzlich über 230 unentgeltliche Vorträge gehalten hat.

Es muss schon ein ´Genie´ sein, wenn neben einer seriösen Abgeordnetentätigkeit mit einem hohen Abstimmungs- und Sitzungsaufwand ein solches außergewöhnlich großes Ausmaß an Vortragstätigkeit gelingt.

Oder hat Peer Steinbrück etwa sein Abgeordneten-Mandat nur als geringfügige Nebentätigkeit ausgeführt? Dazu ist dies – gemessen an den 400 – bzw. demnächst 450 Euro Jobs – bei weitem zu hoch bezahlt und zudem noch höchst komfortabel im Alter abgesichert.

Oder sollten diese ´Super-Honorare´ etwas mit vorherigen Entscheidungen des Ex-Bundesfinanzministers Steinbrück zu tun haben oder sich evtl. sogar auf die Zukunft als – wenn schon nicht Kanzler, dann Bundesfinanzminister – richten? Ein Schelm, der Böses dabei denkt.”

So Ursula Engelen-Kefer, langjährige stellvertretende DGB-Vorsitzende, gegenüber Wirtschaft und Gesellschaft.

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