+++Eilmeldung+++Schäuble vollzieht Kehrtwende in Europapolitik: Deutschland soll zugunsten der Schuldnerländer Importüberschüsse erzielen

Das ist in der Tat bemerkenswert. Was machen jetzt SPD, Grüne und Linke, wo Schäuble die Kehrtwende in der Europapolitik vollzogen hat? Die folgenden Sätze des Bundesfinanzministers dürften die Bundestagswahl für Merkel entscheiden. Warum ist bloß vorher keiner darauf gekommen: “Auf eine ganz wichtige Bestimmung möchte ich aber noch hinweisen”, sagte Schäuble heute gegenüber Wirtschaft und Gesellschaft, “das sind die Bestimmungen, dass Griechenland, Portugal, Spanien, Italien und Frankreich den Schulden-Transfer nur aus echten Außenhandelsüberschüssen decken können…” Deutschland, so der Bundesfinanzminister, werde dafür notwendigerweise seine Exportüberschuss-Strategie aufgeben und stattdessen für eine Zeitlang mehr importieren als exportieren, denn, so der Bundesfinanzminister, “die Überschüsse des einen seien schließlich notwendigerweise die Außenhandelsdefizite des anderen.”

Aber nein, keine Sorge, Schäuble ist noch ganz der Alte: “Ein jeder kehr´ vor seiner eigenen Tür” ist und bleibt sein Credo für Europa. Heute aber, auf den Tag genau vor 60 Jahren, am 27. Februar 1953, erklärte Hermann Josef Abs anlässlich des Londoner Schuldenabkommens über die Auslandsschulden der Bundesrepublik:

“Auf eine ganz wichtige Bestimmung möchte ich aber noch hinweisen, das sind die Bestimmungen, die in Ziffer 21 des Schlussberichtes enthalten sind, in der die Konferenz anerkannt hat, dass Deutschland den Transfer nur aus echten Außenhandelsüberschüssen decken kann und dass es nicht angeht, den Schuldendienst laufend aus der Inanspruchnahme von Währungsreserven zu decken.”

Was Schäuble wohl gesagt hätte, wäre er 1953 Finanzminister bzw. Verhandlungsführer gewesen und die Allierten hätten ihm in London gesagt: Jeder kehr´ vor seiner eigenen Tür?

Der Deutschlandfunk berichtete heute dazu in seinem hervorragenden Kalenderblatt von Caspar Dohmen:

“Im Falle eines Handelsbilanzdefizits hätte Deutschland den Schuldendienst also aussetzen können. So war sicher gestellt, dass der junge Staat die Rückzahlung aus seinen Exporteinnahmen decken konnte. Außerdem sah der Plan wachstumsfördernde Maßnahmen vor.”

Die Gläubiger stimmten damals darüber hinaus “unter anderem niedrigeren Zinssätzen und einer deutlichen Verlängerung der Rückzahlungsfristen zu.” Weiter heißt es dort: “Angetrieben von Marshall-Plan-Hilfe und globalem Nachkriegsboom wuchs die westdeutsche Wirtschaftsleistung … jährlich zwischen acht und neun Prozent. 1988 zahlte Deutschland die letzte Tranche zurück.”

Und schließlich ist tatsächlich Griechenland noch Thema:

“Außen vor geblieben war bei dem Londoner Schuldenabkommen von 1953 die Frage der Reparationen für die von Nazi-Deutschland besetzten Länder, unter anderem Griechenland. Die Zahlungen sollten erst nach einer Wiedervereinigung in einem Friedensvertrag geregelt werden. Auch diese Vereinbarung erwies sich als vorteilhaft für Deutschland. Denn die Reparationsfrage wurde im sogenannten 2+4-Vertrag ausgelassen, der 1990 in Moskau unterzeichnet wurde. Entsprechend bezeichnen Juristen die Ansprüche als ´untergegangen´.

Schäuble sollte sich wirklich schämen – und die Kehrtwende in der Europapolitik einläuten.

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