Maurenbrechers Glosse: Monolog eines EZBlers in Frankfurt nach den Ereignissen vom 1. Juni

“Die sollten doch die Demonstranten nur ein bisschen schützen. Voreinander. Spreu vom Weizen. Rädelsführer dingfest, auffälliges Material ausgesondert. Das wär´s gewesen.

Hätte der Rest, hätte die Masse doch in aller Ruhe demonstriert, tief erregt und hochmoralisch. Kennt man, muss so sein. Juckt keinen. Nichtmal das Tagesgeschäft bei uns in der EZB hätte das gestört. Zinsen einen runter, Weizen einen rauf.

Hätten die das nicht als einen cleveren Check im Vorbeigehn durchziehen können? Leider sind sie aber völlig aufgestachelt, wenn Wahlen bevorstehn, wie die Mücken vorm Gewitter, manchmal fragt man sich, wofür wir die bezahlen. Dann sollten sie vielleicht wirklich besser mit den paar Diäten auskommen, die sie von der Masse kriegen, die Herren und Damen, die ihren Job als Volksvertreter so schlecht verstehen.

´Ja, wir müssen doch der Polizei auch einen Knochen hinwerfen´, hieß es da im Vorfeld, ´sonst rutscht die weg zu Antieuropa oder zur NPD´. Einer von den Pfeifen hat sogar gefaselt, man könnte ja eine Drohne in die Demo feuern, zur Einschüchterung, und anschließend behaupten, die wäre von Assad gekommen.

Soll Sonntagnacht sogar auf Spiegel-Online zehn Minuten lang haarklein beschrieben worden sein, dies ´Massaker von Frankfurt´ – alle Details sorgfältig ausgeschmückt. ´Nicht mit uns´, haben wir ausrichten lassen. Es ist eh so unruhig neuerdings, Monsanto, Apple, Ikea – alles nicht mehr, was es war. Und alles wird beobachtet, andauernd. Wie soll’n wir da ruhig arbeiten? Jeder kleine Dieb weiß: Ruhe und Vertrauen sind die Basis für den Job – Zinsen einen runter, Weizen einen rauf…

Die Masse drangsalieren – das ist das Blödeste, was einem einfallen kann in diesen Tagen. Sollen sie doch ihre dämliche Polizei einfach mal austauschen, wenn die nach rechts abdriftet. Arbeitslose gibt´s genug, zur Not aus Südeuropa. Sollen sie doch einfach mal jeden dieser Bullen und Bouletten fragen: Gab es Ausschwitz, ist ein Asylbewerber denn ein vollwertiger Mensch? Dann wären wir 2 Drittel Ordnungshüter ohne Aufsehen los. An uns lag´s nicht. Wir verabscheuen Gewalt, jedenfalls nah unsrer Zentren.

Wir hatten die Kaffeemaschinen am Start, latte to go, latte to rebel, eine freundliche Demonstrantendröhnung wollten wir anbieten für den Weg. Mensch, diese Leute sind unser Potenzial, die möchten so gern mittun, wie jetzt bei der Flut, Ärmel aufkrempeln, anpacken, helfen. Die brauchen wir in unsern Rechtsabteilungen, und als Drücker, und wenn sie erben später, natürlich als Kunden, und wir brauchen überhaupt dieses Klima aus freudigem und gärenden Beisammensein.

Die allumfassende Unsicherheit, die die Politik geschaffen hat – schön und gut: Solange sie die Menschen kitzelt und nicht apathisch macht… solang die Leute sich noch engagieren und ganz gutmütig reden von ´Griechenlandhilfe´, ´Flüchtlingshilfe´, ´Fluthilfe´- so lange sie mittun – das ist so wichtig.

Und den Politikern kaum noch verständlich zu machen, die schießen immer übers Ziel, die würden am liebsten alle gleich totschlagen, wenn es mal unruhig wird. ´Wenn keiner mehr atmet, nimmt auch keiner mehr einen Kredit auf´, hab ich dem Dobrindt mal direkt ins Gesicht gesagt – na, der scheitert jetzt an seinem Hochwasser. ´Sorgen Sie für gute Laune, das ist ihr Job´, hab ich dem erklärt. Mehr woll´n wir nicht, für den Rest sorgt die sogenannte Realität des Lebens. Und die bestimmen immer noch wir. Weizen einen rauf, Zinsen einen runter.”

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Seit 1. Februar ist Manfred Maurenbrecher, gemeinsam mit Ursula Engelen-Kefer, Heiner Flassbeck und Florian Mahler, Mit-Herausgeber von Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse & Meinung. Manfred Maurenbrecher gibt morgen abend, 9. Juni 2013, ein Konzert im Club Voltaire, Frankfurt am Main.

 

 

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