Haben Gabriel und Steinbrück Amtseid verletzt?

Die SPD versucht alles, um das Ruder wieder in die Hand zu bekommen, das den Kurs Richtung Bundestagswahl bestimmt. Wer will ihr das verdenken. Wirkt sie doch wie ein Schiffbrüchiger auf hoher See. In der Großen Koalition hat es immerhin noch für den Maschinenraum gereicht. Jetzt haben SPD-Chef Sigmar Gabriel und SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück der Bundeskanzlerin vorgeworfen, ihren Amtseid zu brechen. Edward Snowden habe schließlich ans Licht gebracht, “dass Grundrechte der deutschen Bürger ´massiv verletzt´ worden seien”, zitiert die FAZ Peer Steinbrück, der auch meint: “Also: Schaden vom Volke abzuwenden – das stelle ich mir anders vor.” Aus dem Munde des SPD-Chefs Gabriel ist selbiger Vorwurf wiederum schon fast Routine. Hat der doch schon 2009 der Kanzlerin vorgeworfen: “Angela Merkel hat ihren Amtseid gebrochen, da sie nur moderieren will und keine Entscheidungen trifft. Die Leistung der neuen Bundesregierung als Fehlstart zu bezeichnen ist eine Verniedlichung.” Nun, von “Fehlstarts” versteht Gabriel nun wirklich viel. Aber auch vom Amtseid?

Wäre es bei einer Äußerung in der “Bild am Sonntag”, wo Steinbrück seinen Vorwurf an die Kanzlerin zuerst platzierte, geblieben, hätte man dies getrost schnell wieder vergessen können. Schon aus purem Mitleid der SPD gegenüber, die bei wichtigen Inhalten, den NSA-Skandal eingeschlossen, einfach keine Alternative zur Bundesregierung und zu ihrer eigenen Regierungszeit aufzuzeigen weiß. Hellhörig wurde ich aber erst, als auch der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums Thomas Oppermann heute früh vom Deutschlandfunk-Moderator mit jenem Vorwurf konfrontiert wurde. Der Deutschlandfunk spielte dazu eigens den Original-Ton des durch die Bundeskanzlerin geleisteten Amtseids ein:

Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegenüber jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.”

Interessanter als die von gespielter Empörung getragene Antwort Oppermanns ist der Amtseid selbst. Wirft er doch die Frage auf: Haben Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück nicht selbst den Amtseid gebrochen? Denn wie ist die im Amtseid geleistete Verpflichtung, “Gerechtigkeit gegenüber jedermann” zu üben, mit der Agenda 2010 im Allegemeinen und Hartz IV im Besonderen vereinbar? Gar nicht, meiner Meinung nach. Enthält Hartz IV doch selbst den größten bundesdeutschen Abhörskandal und Einbruch in die Privat- und Intimssphäre. Von der SPD entwickelt und in Gesetz gegossen. Schon 2004 fühlte sich das Bundesverfassungsgericht genötigt, gegen die von der SPD initiierten Abhörmethoden vorzugehen (auch das Bundessozialgericht musste gegen die von der SPD initiierte Schnüffelei schon einschreiten, siehe zum Beispiel hier).

Nach Artikel 64 des Grundgesetzes haben aber auch Gabriel und Steinbrück als Bundesminister schon jenen Amtseid geleistet, den sie jetzt der Bundeskanzlerin vorwerfen, gebrochen zu haben. Auch müssten sie ihren Vorwurf nicht nur gegen die Bundeskanzlerin und sich selbst, sondern auch gegen Alt-Kanzler Gerhard Schröder richten.

Wir sehen, selbst unabhängig von dem Verdacht, dass die SPD in Sachen möglicher Geheimdienst-Vergehen selbst noch viele Leichen im Keller haben könnte, fällt ihr ein zwar offensichtlich dem Wahlkampf geschuldeter, nichtsdestoweniger aber durchaus berechtigter Vorwurf an die Kanzlerin, gehörig auf die eigenen Füße, sobald man etwas genauer hinschaut und das eigene Handeln der SPD mit einbezieht. Beides, genauer hinzuschauen und das eigene Handeln zur Richtschnur zu machen, ist zum Leidwesen der SPD und ihrer Nicht-Mehr-Wählerschaft nicht mehr im Denken und Handeln der Partei-Spitze präsent. Die nur zu berechtigten Vorwürfe gegen die Bundeskanzlerin sind daher aus den Mündern dieser Herren nicht nur nicht ernst zu nehmen, sondern für jemanden, der seine fünf Sinne noch beisammen hat und eine Politik, die mit zweierlei Maß misst, ablehnt, kaum zu ertragen.

Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.


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