“Weihnachten ist Gemeinsamkeit” – Zwei Erzieherinnen erzählen
Dezember 18

“Was bedeutet Ihnen Weihnachten”, frage ich zwei junge Frauen, Mitte zwanzig, die im Begriff sind, das Café zu verlassen, in dem wir nebeneinander Platz genommen hatten. Überrascht von dieser Frage, setzen sich beiden erst noch einmal.

Ohne aber lange zu überlegen, sagt die eine: “Gemeinsamkeit.” Ich erzähle ihnen kurz vom Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse & Meinung-Adventskalender. Es entwickelt sich daraufhin eine längere, angeregte und anregende Unterhaltung. “Zweisamkeit gehört auch zu Weihnachten”, ergänzt sie, “aber ich bin ja allein.” Sie hält einen Augenblick inne. “Und durch die Straßen zu gehen, die vielen schönen Lichter zu genießen, das ist für mich auch Wiehnachten.” “Ja”, stimmt die andere ein, “es geht nicht um Geschenke. Viele Menschen machen sich so viel Stress deswegen. Zu viel Stress.” “Auf das Jahr zurückzublicken, es zu reflektieren,” wirft die andere nun wieder ein, “das gehört auch zu Weihnachten und zum ausklingenden Jahr.” So geht es noch eine Weile weiter, und es entsteht ein schönes, wunderschönes Bild von Weihnachten.

Ich frage die beiden, was sie denn beruflich machen, denn das Wort Arbeit war zwischendrin auch gefallen. Beide sind Erzieherinnen. Die eine in einem Hort, die andere in einem Heim. Die Kinder in ersterer Stätte haben ein familieres Zuhause, die Kinder und Jugendlichen im Heim aber, für die ist das Heim die Familie bzw. muss das Heim versuchen, erklärt die Erzieherin, den Verlust der Familie und das damit verbundene Trauma irgendwie zu kompensieren, zu helfen. Ich erzähle beiden vom Weihnachtslied von Dickens und dem Geist der vergangenen Weihnacht, der Scrooge in seine Kindheit zurückführt. Sie kennen die Geschichte tatsächlich nicht. Das Interesse aber ist geweckt. “Der Beruf ist schön, weil man Menschen konkret helfen kann”, sagt die, die im Heim arbeitet. “Aber er ist auch sehr aufreibend. Immer kann man das nicht machen.” Ich wage nicht, nach dem Gehalt zu fragen, das sie für ihren verantwortlichen, Kräfte zehrenden Beruf erhält, in der Furcht, es sei erschreckend niedrig. Eine kurze Recherche im Internet ergibt: “Gerade am Anfang ist mit Gehältern unter 1000 Euro zu rechnen und auch mit mehrjähriger Berufserfahrung ist die 2000 Euro Grenze nicht automatisch erreicht. Erst als Leiter einer Kindertagesstätte etwa können auch Gehälter über 3000 Euro erzielt werden.”

Ganz weihnachtsheimelig wurde mir mit diesen beiden so offenen, vor Gefühl und Gedanken sprühenden, auch nachdenklichen Menschen. Dann müssen beide aber wirklich los. Eine Weihnachtsfeier wartet auf sie. “Ich arbeite Weihnachten”, sagt die eine noch. Im Heim. “So kann ich etwas Gutes tun.” Dann verabschieden wir uns. “Alles Gute und ein schönes Wiehnachtsfest”, sage ich zum Abschied.

————————————————————-

Sie können helfen, unseren Leserkreis zu erweitern!

Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.

————————————————————-


Dieser Text ist mir etwas wert


Verwandte Artikel: