NachDenkSeiten, Makroskop: Keine Alternative

Sie beklagen, dass die etablierten Medien ihrer Aufgabe, den demokratischen Willensbildungsprozess zu befördern, nicht gerecht werden (1). Und sie klagen an. Die : Die Medien würden manipulieren, indem sie zum Beispiel wichtige Informationen verschweigen (2). Makroskop: Statistische Ämter würden ihre Berechnungen nach den Erwartungen von Politikern ausrichten (3). Sie “wollen die Qualität der öffentlichen Meinungsbildung und damit auch die Qualität der politischen Entscheidungen fördern” und “ein Angebot sein für jene, die in den meinungsprägenden Medien kein ausreichend kritisches Meinungspotential mehr erkennen.” (4) Wie ist es aber um die Qualität der öffentlichen Meinungsbildung und das kritische Meinungspotenzial dieser beiden Medien selbst bestellt?

Nicht gut. Ein Beispiel dafür lieferten jüngst erst die NachDenkSeiten und Makroskop gemeinsam. Heiner Flassbeck hatte einen Beitrag zur Konjunktur in Deutschland und Europa verfasst und darin schwere Vorwürfe gegen das Statistische Bundesamt erhoben (siehe hier und unsere Analyse dazu hier). Die NachDenkSeiten haben den Beitrag Flassbecks als eigenständigen Artikel ebenfalls veröffentlicht (siehe ). Sollte man da angesichts der oben aufgezeigten Selbstdarstellung beider Medien nicht erwarten, dass eine Kritik, wie die in WuG veröffentlichte, von den NachDenkSeiten zumindest in ihre täglichen Hinweise genommen und von Flassbeck in Makroskop diskutiert wird – um den demokratischen Willensbildungsprozess der Leser und ein kritisches Meinungsbildungspotenzial zu fördern, um mit gutem Beispiel voranzugehen und kritische Informationen und Argumente nicht zu verschweigen (5)? Hätten die NachDenkSeiten nicht Belege von Flassbeck einfordern müssen, die dessen Vorwürfe gegenüber dem Statistischen Bundesamt stützen, oder hätten sie dessen Beitrag nicht zumindest mit einer kritischen Anmerkung versehen sollen, wie es in den Hinweisen der NachDenkSeiten gang und gäbe ist, wenn fehlende Fakten moniert oder  Zusammenhänge für nicht stimmig erachtet werden? Nichts davon in den NachDenkSeiten und in Makroskop. Das ist, fürchte ich, nur ein Beispiel von vielen (6).

Wer nach Antworten darauf sucht, warum sich die Protagonisten beider Medien gemessen an ihren eigenen Ansprüchen derart disqualifizieren – und in der Tat erreichte mich als Antwort auf meine Kritik an Flassbecks Beitrag von einem bekannten Ökonomen eine E-Mail mit der nüchternen Frage: “Warum tut er das?” -, wird beim ehemaligen Mitbegründer und Mit-Herausgeber der NachDenkSeiten, Wolfgang Lieb, fündig. Lieb begründete seinen Ausstieg bei den NachDenkSeiten unter anderem mit diesen grundsätzlichen Überlegungen (siehe und die Reaktion des anderen Herausgebers, Albrecht Müller, sowie Lars Bauer und Jens Berger darauf ):

“Rationalität und Vernunft verlangen bei allem Nachdruck in der Argumentation meines Erachtens stets, eine angemessene kritische Distanz zu wahren. Es ging mir darum, Partei zu ergreifen, aber nicht parteiisch zu sein. Die Anerkennung eigener Begrenztheit verbietet undifferenzierte und einseitige Schuldzuschreibungen.

Für mich sollten in den Beiträgen auf den NachDenkSeiten die Verarbeitung von Informationen und die differenzierende Abbildung der Wirklichkeit vor ihrer politischen Bewertung und vor der Unterordnung unter das eigene stehen. Differenzierung und genaues Hinsehen halte ich für wichtige Voraussetzungen, um Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft gegenüber Leserinnen und Lesern zu gewinnen. Ich habe mir nie eingebildet, die Wahrheit gepachtet zu haben.

Es reicht eben m.E. nicht aus, die Welt moralisch in ´Freund´ und ´Feind´ aufzuteilen und die Ursache nahezu allen Übels auf der Welt ´einflussreichen Kräften´ () oder undurchsichtigen oder pauschal ´den Eliten´ zuzuschreiben. Die Reduktion gesellschaftlicher Konflikte auf einen Antagonismus zwischen ´Volk´ und ´Eliten´ halte ich für missbrauchsanfällig.”

Lieb warnt ebenda weiter: “Die Antwort auf eine Form der Meinungsmache kann meines Erachtens nicht eine andere Form von Meinungsmache sein”.

In genau diese Falle sind die NachDenkSeiten und Makroskop meines Erachtens getappt bzw. haben sie sich diese Falle selbst gestellt. Dass sich dies so entwickeln konnte, spricht dafür, dass auch innerhalb der Redaktionen kein wirklich kritischer und kontroverser Meinungsbildungsprozess stattfindet bzw., wenn es denn tatsächlich der Fall sein sollte, dass alle Beteiligten einen solchen Kurs gutheißen, stehen die Redaktionen dieser Medien den etablierten Medien, denen sie Einseitigkeit und Manipulation vorwerfen, wohl in nichts nach.

Damit sind sie aber keine Alternative zu den etablierten Medien. Im Gegenteil, sie machen alles nur noch schlimmer, und man greift lieber wieder öfters zu den bekannten Zeitungen und Magazinen und beginnt eben dort wieder in guter alter Manier zwischen den Zeilen zu lesen. Wenigstens wird dort nicht so dick aufgetragen, und manchmal stößt man dort sogar auf richtig kluge Analysen.

(1) So heißt es unter der Überschrift “Was wir wollen” bei Makroskop:

“Wir werden in der Nachfolge von flassbeck-economics ein Online-Magazin herausgeben, das durch seine Analysen politisch relevanter Sachverhalte den Bürger zu befähigt, sich selbst ein Urteil zu bilden und dadurch am demokratischen Willensbildungsprozess aktiv mitwirken zu können. Mit anderen Worten, wir werden mit diesem Magazin genau das tun, was die etablierten Medien nicht mehr tun. Wir werden Fakten präsentieren, über die wirtschaftlich und politisch relevanten Zusammenhänge aufklären und die Hintergründe ausleuchten…”

(2) Siehe Albrecht Müller zuletzt .

(3) “Wir habe es schon oft gesagt und müssen es leider wiederholen: Diese Zahlen sind das Papier nicht wert, auf das sie gedruckt sind. Der Skandal, dass die Statistiker mit viel Phantasie das produzieren, was die Politiker erwarten, wird immer größer. Er potenziert sich aber dadurch, dass eine unkritische Medien- und Wissenschaftslandschaft diese Zahlen begierig aufgreift und als reine Jubelmedien in die Welt hinausposaunt.” (Heiner Flassbeck, hier, siehe kritisch dazu hier).

(4) Siehe .

(5) Die Adressaten wurden über entsprechende tweets und Kommentare bei facebook auf den Beitrag aufmerksam gemacht.

(6) So wurde zum Beispiel in Makroskop (vorher: flassbeck-economics) auch diese nicht diskutiert.


Dieser Text ist mir etwas wert


Verwandte Artikel: