Tag Archiv für Journalismus

Alles wie gewohnt?

Gewöhnen sich die Menschen an den Ist-Zustand in Deutschland und der Welt: Terror, Krieg, soziale Not, überbordender Reichtum, nationale Bestrebungen und den Umgang der Politik damit? Wie sonst lässt sich erklären, dass sich die große Mehrheit der Menschen vermutlich gar nicht für Politik interessiert? Wann haben Sie zuletzt eine Zeitung in die Hand genommen oder sich im Internet tiefergehend mit Informationen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auseinandergesetzt? Kannten Sie Martin Schulz, bevor er von der SPD zum Kanzlerkandidaten ausgerufen wurde? Er war vorher immerhin Präsident des Europäischen Parlaments. Ich kenne gleich einige, die mit seinem Namen nichts anfangen konnten.

Der Deutschlandfunk und die SPD: Wie Journalismus und Politik versagen

Ansich hatten wir gehofft, an dieser Stelle das Interview der Woche besprechen zu können, das der Deutschlandfunk mit Sigmar Gabriel geführt und gestern augestrahlt hat. Sigmar Gabriel ist in Personalunion Partei-Vorsitzender der SPD, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland und möglicher Kanzlerkandidat der SPD für die in diesem Jahr anstehende Bundestagswahl. Allein, das Interview ist von Frank Capellan von Beginn so anbiedernd und nichtssagend geführt worden, es verbleibt bis zum bitteren Ende so sehr an der Oberfläche, dass es inhaltlich kaum etwas zu besprechen gibt. Ein besonders trauriges Stück Journalismus. Vielleicht ein weiteres Beispiel dafür, dass nicht nur so genannte fake news – falsche Nachrichten -, die keineswegs ein alleiniges Phänomen der sozialen Netzwerke sind, sondern leider auch etablierter Medien, ein Problem sind, sondern auch no news – keine Nachrichten. Vielleicht macht das Interview darüber hinaus einmal mehr deutlich, dass eine zu große Nähe von Journalisten zu Politikern der kritischen Interview-Führung mehr schadet als nützt. Frank Capellan bringt diese Nähe fast kindlich naiv zum Ausdruck, wenn er sich mit den Worten an Gabriel und die Zuhörer des Deutschlandfunks wendet: “Ich möchte gerne erzählen, dass ich mit Ihnen im vergangenen Jahr in Marokko war.” Das größte journalistische Versagen liegt darin begründet, dass versäumt wird, kritische Fragen zu stellen, die sowohl auf den Nägeln brennende, weil die Lebenswirklichkeit vieler Menschen betreffende Themen und Zusammenhänge ansprechen, als auch nach der damit verbundenen politischen Verantwortung der Interviewten fragen. Im Interview mit Gabriel wird dieses Versagen besonders deutlich, wenn es um die AfD geht. In einem Interview, das Doris Simon nur wenige Tage zuvor mit dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD und Haushaltspolitiker, Carsten Schneider, für den Deutschlandfunk geführt hat, versäumt es die Moderatorin wiederum eine wesentliche Aussage Schneiders zu hinterfragen. Auch das lenkt von zentralen politischen Entwicklungen und deren Ursachen ab, indem no news produziert werden, und verhindert damit nicht zuletzt zu erklären, warum die AfD von Erfolg zu Erfolg eilt, was uns wieder zum Gabriel-Interview zurückführt. Wir können vergleichbares bei der Berichterstattung über Trump oder über Putin beobachten, wollen die unten stehende Analyse aber nicht überfrachten…Der Deutschlandfunk und die SPD: Wie Journalismus und Politik versagen (vollständiger Beitrag im Abonnement)

Geschützt: Der Deutschlandfunk und die SPD: Wie Journalismus und Politik versagen (vollständiger Beitrag im Abonnement)

Deutschland – China: Ohne jedes Maß

Die tonangebenden Medien in Deutschland sind sich weitgehend einig: China ist eine Bedrohung. Selbst die vermeintlich alternative taz meint über China: “Auch 15 Jahre nach dem Beitritt des Landes zur Welthandelsorganisation hält es Industrieunternehmen, Dienstleister und Finanzfirmen systematisch draußen.” Und: “Das ist das gute Recht einer souveränen Nation. Sie sollte sich allerdings dann nicht darüber wundern, wenn sich andere Länder ebenfalls schützen. Mit Chinesen gilt es hart zu verhandeln. Sie tun es ja auch.” Nachzulesen und zu hören in der heutigen Presseschau des Deutschlandfunks. Denn kaufen oder gar abonnieren sollte man die taz für solche Aussagen wahrlich nicht. Die Rundfunkgebühren dagegen müssen wir ja ohnehin bezahlen. So wie wir den Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, aushalten müssen mit unseren Steuergeldern, obwohl seine Aussagen ihn nicht minder disqualifizieren. Der Deutschlandfunk gibt ihn unter anderem wie folgt wieder: “…die Bundesrepublik sei ein Land, in dem chinesische Unternehmen investieren könnten. Umgekehrt müsse dies auch in China möglich sein.” Als ob letzteres nicht längst der Fall wäre. Ein Vergleich der Direktinvestitionen zwischen China und Deutschland zeigt im Gegenteil ein erhebliches Ungleichgewicht zulasten Chinas. Schnell zeigt sich, der Bundeswirtschaftsminister und die berichtenden Medien sind ohne jedes Maß. Hierzu folgt in Kürze eine Analyse, die im Abonnement erscheint.

CETA und Mordio – Wie Polit-Clowns und Journalisten die Realität verdrehen – Von Christian Christen

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Wer die Berichterstattung rund um die gescheiterte Annahme des CETA-Vertragstextes beim EU-Gipfel am 20./21. Oktober bis heute verfolgt, findet viele Hinweise, warum sich immer mehr Menschen von der offiziellen Politik und vielen Medien kopfschüttelnd abwenden. Sachliche Informationen sind Mangelware, ersetzt von einer Personalisierungsshow, von Stimmungsmache und Meinungsjournalismus erster Güte. Nahezu bar jeder Erkenntnis rücken der Inhalt der weitreichenden Handels- und Investitionsabkommen und deren mögliche Folgen wie die öffentliche Kritik der letzten Jahre in den Hintergrund und es offenbart sich bei vielen “Meinungsführern” ein geradezu abschreckend naives und zugleich autoritäres Demokratieverständnis.

Diäten-Erhöhung: Politik als Selbstbedienungsladen – eine Verhöhnung nicht nur der Abgehängten, sondern aller Demokraten, durch die Abgeordneten

Man fragt sich nur noch, was schlimmer ist: die Politiker, die das Parlament als Selbstbedienungsladen nutzen, oder die so genannten Leitmedien, die sie dabei hofieren?

Anschläge in Brüssel: Bitte, liebe Journalisten und Politiker, seid Ihr wirklich so dämlich? Schämt Euch!

Es ist wirklich nicht zum Aushalten. Wem, bitteschön, tun die vielen Opfer, die Toten, Verletzten, Traumatisierten und Angehörigen der Terror-Anschläge in Brüssel nicht unendlich leid? Aber was soll das:

“Wir dürfen unserer Angst nicht verfallen”. Markus Feldenkirchen, Spiegel online. “Wir müssen für unsere Werte einstehen”. Florian Harms, Spiegel online.

Journalismus, Bezahlschranke: Handelsblatt-Journalist missversteht “Teaser” – oder wollte er einfach nur nicht bezahlen?

Der folgende Dialog verdient Aufmerksamkeit, weil er von grundsätzlicher Bedeutung für die Unabhängigkeit und die Qualität des Journalismus ist. Der Handelsblatt-Journalist Franz Hubik teilte mir heute früh auf dem Kurznachrichtendienst twitter mit, dass ich ihm “doch bitte den ganzen Beitrag” über die gestern im Abonnement veröffentlichte Analyse zum Protektionismus in der Stahlindustrie schicken solle. So könne er “nicht einmal erahnen, warum Strafzölle ´völlig ungerechtfertigt´ sein sollen”. Ich hatte zuvor, nach Veröffentlichung der Analyse bei twitter geschaut, wer denn alles zum Thema in den vergangenen Tagen veröffentlicht und kommentiert hat. Dabei war ich auch auf einen tweet von Hubik gestoßen, der auf einen Artikel von sich zum Thema aufmerksam machte. Der Artikel entspricht dem allgemeinen Tenor in den Medien, den meine Analyse einleitend kritisch aufgreift. Daher antwortete ich auf den tweet Hubiks und machte auf meine Analyse aufmerksam. Als ich ihm nun auf seine Bitte hin, ihm “doch bitte den ganzen Beitrag” zu schicken, antwortete, dass der Beitrag “vollständig nur im Abonnement” erscheine, antwortete Hubik: “dann eben nicht. Sorry”. Ich antwortete ihm daraufhin: “Kein Problem. Guter Journalismus muss halt bezahlt werden.” Worauf er mir antwortete: “eh, aber dann sollte man ihn zumindest erahnen können” und spielte dabei wohl auf den frei lesbaren, einleitenden Teil der Analyse, den so genannten Teaser an. Ich schrieb zurück: “Nein, gerade nicht. Sie belegen es ja. Das @handelsblatt könnte Sie auch nicht bezahlen, hätte es nicht Abonnenten und ´Premium´.” Worauf Hubik eine sehr merkwürdige Erwartung an den Teaser äußerte, den er an die Zeitung, für die er arbeitet und von der er bezahlt wird, wohl noch nicht gerichtet hat, was für ihn gut ist, denn sonst könnte ihn das Handelsblatt vielleicht nicht länger bezahlen:

Medien, Stefan Aust, Günther Lachmann: Was ist journalistische Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit?

“Ein Journalist, der sich als Berater einer Partei andient, hat seine Unabhängigkeit verloren, seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt – und damit seinen Job. So wie im Fall von Günther Lachmann.” Hat hier der Herausgeber des Medien-Riesen WeltN24, Stefan Aust, das Kündigungsschreiben an seinen Arbeitnehmer, den Journalisten Günther Lachmann, nicht doch allzu offensichtlich dazu genutzt, dem Journalismus einen Freifahrtschein in Sachen Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit auszustellen? Ich meine schon. Dass dies den berichterstattenden Medienbeobachtern nicht aufstößt, liegt möglicherweise daran, dass sie ein ähnlich unkritisches Selbstbild von sich und ihrem Beruf haben, wie Aust. Auf den Fall Lachmann muss an dieser Stelle nicht noch einmal eingegangen werden. Aust schildert übersichtlich die wohl wesentlichen Ereignisse, die zu dessen Kündigung geführt haben. Was aber ist unabhängiger und glaubwürdiger Journalismus?

Journalismus: Warum man besser nicht an der Henri-Nannen-Schule Journalismus studiert – erklärt von ihren Schulleitern

Warum man besser nicht an der Henri-Nannen-Schule Journalismus studieren sollte, erklären keine geringeren als deren Schulleiter, Andreas Wolfers, und Wolf Schneider, ehemaliger Leiter und langjähriges Mitglied der Prüfungskommission. Warum es seit geraumer Zeit schon so schlecht um den deutschen Journalismus bestellt ist, erklären sie auch. Wir verdanken das einem Interview mit Schneider, das heute erschienen ist. Geführt hat es Takis Würger, Spiegel-Redakteur im Ressort Gesellschaft. Es soll offensichtlich der Werbung für dessen Buch dienen, das da heißt und verspricht: “Journalistenschule klarmachen – Insider verraten ihre Tipps für die Bewerbung”. Mit Aufmachung und Interviewführung zeigt Würger eindrucksvoll, dass er selbst kein guter Journalist ist – vielleicht hat er ja an der Henri-Nannen-Schule studiert.