Klarsfeld-Kandidatur: Wenn Journalisten Demokratie nicht aushalten

Beate Klarsfeld

Die Kandidatur von Beate Klarsfeld für das Amt des Bundespräsidenten lässt einige Journalisten die Contenance verlieren. In einer Art Stellvertreterkrieg nutzen sie einen normalen demokratischen Vorgang – die Aufstellung einer Kandidatin für das Bundespräsidentenamt – um ihren Hass auf DIE LINKE auszutoben. Offensichtlich überfordert sie unser System der parlamentarischen Demokratie. Auffallend auch, wie plakativ und persönlich die einhellige Stoßrichtung dabei ausfällt.

Broder diffamiert

Wenn es um an den Haaren herbeigezogene Scharfmacherei und persönliche Diffamierung geht, darf natürlich Hendryk M. Broder nicht fehlen. Sein Beitrag in der Welt ist überschrieben mit:

“Beate Klarsfelds Gier nach dem eigenen Denkmal. – Ihr Einzug ins Schloss Bellevue ist eine Horrorvision: Denn Beate Klarsfeld wird vor allem durch ihr Verlangen nach gesellschaftlicher Anerkennung angetrieben”.

Das schreibt ja der Richtige. Tauscht man den Namen Beate Klarsfeld in Hendryk M. Broder, hätte die Überschrift durchaus das Zeug in die engere Auswahl für den Titel einer sicherlich noch erscheinenden Autobiographie Broders zu gelangen; freilich ginge die beim Autor selbst wohl nicht durch.

So nutzt Broder seinen Versuch, Beate Klarsfeld vom Sockel ihrer historischen Verdienste zu stoßen, dann tatsächlich auch zu eigener Denkmalspflege. Er wirft Klarsfeld Dilettantismus bei Ihrer Nazi-Jagd vor. Wie spinnert muss man aber sein, um von dieser couragierten Frau eine professionelle Entführung zu erwarten und dies auch noch in eine Kritik umzumünzen? Und was ist es anderes, als Denkmalpflege in eigener Sache, wenn Broder schreibt:

“Dass eine deutsche Antifaschistin, die einen alten Nazi seiner gerechten Strafe zuführen wollte, hinter Gittern saß, während der Nazi frei herumlief, fand ich so ungerecht, dass ich ihr eine Adresse besorgte, unter der sie sich in Köln anmelden konnte, damit der Haftbefehl aufgehoben wurde.”

Dass über diese Heldentat Broders aber auch noch niemand geschrieben hat; nun gut, dann muss er es halt selber tun, hilft ja nichts.

Seinen Vorwurf an Beate Klarsfeld, dass es ihr “vor allem darum” ginge, sich ein Denkmal zu setzen, begründet er so:

“Sie hatte immer eine Mappe mit den letzten Zeitungsberichten über ihre Aktionen bei sich und erzählte mit unbändigem Stolz, welchen Politiker sie gerade getroffen und welcher Promi sie zu sich eingeladen hatte. Ihr Verlangen nach gesellschaftlicher Anerkennung war noch stärker ausgeprägt als ihr Einsatz für irdische Gerechtigkeit.”

Was aber ist so besonderes daran, wenn eine engagierte Frau wie Klarsfeld eine Pressemappe mit sich führt, um für ihre Anliegen zu werben, und was liegt näher für eine in der damaligen Öffentlichkeit wegen ihrer mutigen, gegen das geschichtsvergessene Establishment und die Nazi-Mörder gerichteten Aktionen geschmähte Person wie Klarsfeld, als sich um prominente Unterstützer zu bemühen? Offensichtlich schließt Broder hier von sich selbst auf andere.

Dann versucht der um mediale Aufmerksamkeit ringende Broder auch noch Klarsfeld mit einem Lottospieler gleichzusetzen, der ein Jackpot in den Schoß gefallen sei. Ihren einzigartigen Mut und ihre historischen Verdienste, wie ihr bis heute anhaltendes Engagement, wischt er brutal zur Seite, indem er von einer “der Realittät entrückten Dame” spricht.

Was aber ist verwerflich daran, wenn Klarsfeld folgende Worte wählt?

“Sie sehen, hier ist eine Frau, die hat den CDU-Kanzler geohrfeigt und ist heute als Kandidatin für den Posten des Bundespräsidenten aufgestellt worden. Das ist am Ende eine Befriedigung, aber ich habe mit meiner großen Arbeit viel geleistet, ich habe das Image von Deutschland im Ausland verändert, ich habe mein Engagement bewiesen als Deutsche, dessen Volk verantwortlich war für den Holocaust von sechs Millionen jüdischen Opfern…”

Nichts! Es ist, nüchtern betrachtet, schlichtweg war und anerkennenswert.

Was Klarsfeld mit der LINKEN verbinde? “Die Linke sei eine Partei, die sich für die Opfer des Nationalsozialismus, für die soziale Gerechtigkeit und gegen Armut einsetzten würde. ´Da sind wir auf der gleichen Linie.“

Klarsfeld Vorbilder “seien ´immer Hans und Sophie Scholl gewesen´, ´als wiedervereinte Deutsche´ fühle sie sich für Ost- und Westdeutschland verantwortlich. Die Moderatorin verzog keine Miene und bedankte sich ´ganz herzlich für dieses Gespräch”.

Ja, warum sollte die von Broder zitierte Moderatorin denn auch darüber eine Miene verziehen? Diese Frage muss Broder nicht interessieren, denn er will nur auf eines hinaus:

“Die Vorstellung, Frau Klarsfeld könnte ins Schloss Bellevue einziehen, ist eine Horrorvision. Eher könnte man sich Verona Pooth im Vorstand der Deutschen Bank vorstellen. Dass die Kandidatin der Linkspartei tatsächlich davon überzeugt ist, sie hätte eine reelle Chance, mit den Stimmen der CDU, der CSU und der SPD gewählt zu werden, verdankt sie allein einer autosuggestiven Anstrengung.”

Autosuggestiv aber ist nur Broder selbst; niemand, außer Broder, der es hier auch nur ist, um Klarsfeld zu diffamieren, geht davon aus, dass Klarsfeld gegen Gauck gewinnt. Broder unterstellt Klarsfeld “Wahn” und scheint doch selbst vom Wahn getrieben, so eine ausgemachte, jede Grundlage entbehrende und persönlich beleidigende Schmutzkampagne gegen Klarsfeld loszutreten. Schließlich läuft selbige natürlich auf das hinaus, worauf Broder wohl von vornherein abzielte: Die altbekannte LINKEN-Schelte.

Richard Herzingers Griff in die ideologische Mottenkiste

In diese Kerbe haut auch – ebenfalls in der Welt – Richard Herzinger, wenn er schreibt:

“Gleich zu Anfang wird deutlich, wie die Linken-Chefs die Nominierung Klarsfelds propagandistisch zu nutzen gedenken. Deren Präsidentschaft würde das Signal in die Welt senden, dass sich Deutschland wirklich grundlegend geändert habe, sagt Gysi. Als hätte dieses Land einen solchen internationalen Nachweis noch nötig – und schon gar diesbezügliche Nachhilfe von der SED-Nachfolgepartei!”

Zuvor stöhnt Herzinger aber noch darüber, dass Klarsfeld “in immer neuen Varianten betont”, dass man ihr immer noch das Bundesverdienstkreuz für ihre Verdienste verweigert. Tja, offenbar hat dieses Land wohl doch noch reichlich Nachhilfe nötig. Vielleicht auch vor dem Hintergrund, dass es in Deutschland bis vor kurzem sämtlichen Polizeidiensten und Verfassungsschützern nicht gelungen ist, einer Gruppe von Neonazimördern auch nur auf die Spur zu kommen, während Klarsfeld es mit einigen Unterstützern und gegen das deutsche Establishment gelang, eine ganze Reihe von Nazi-Mördern ausfindig zu machen.

Wie Broder attestiert auch Herzinger Klarsfeld Realitätsferne und Unkenntnis der deutschen Verhältnisse:

“Dass sie von den Verhältnissen im Deutschland der Gegenwart wenig Kenntnis hat, wird schnell deutlich, als sie mit Frage jenseits ihres Lebenswerkes konfrontiert wird. Welche thematischen Schwerpunkte sie sich denn über den Antifaschismus hinaus für ihre Amtszeit setzen wolle? Dass sie für ein NPD-Verbot und eine raschere Aburteilung neonazistischer Täter ist, versteht sich ja fast von selbst.”

Als ob das allein nicht schon eine lobenswerter Programmpunkt wäre. Und hätte Herzinger, wenn es ihm um die Sache ginge, nicht wenigstens schreiben müssen, dass der andere Anwärter auf das Bundespräsidentenamt, Joachim Gauck, mit Themenschwerpunkten, “die jenseits seines Lebenswerkes” liegen, auch so seine Schwierigeiten hat; man denke nur an seinen doch sehr begrenzten Freiheitsbegriff?

Aber Herzinger geht es – wie Broder – doch vornehmlich um eines: Mit einem tiefen Griff in die ideologische Mottenkiste auf DIE LINKE einzuschlagen:

“Gysi, Lötzsch und Ernst wollen vom SED-Erbe der Linken ablenken”

Offensichtlich hat Herzinger selbst so seine Schwierigkeiten, sich von seinem ideologischen Lebenswerk zu lösen, und der Vorwurf, dass Klarsfeld “von den Verhältnissen im Deutschland der Gegenwart wenig Kenntnis hat”, fällt ihm hier auf die eigenen Füße.

Thorsten Denkler unterstellt viel und denkt wenig

Dagegen ist Thorsten Denkler von der Süddeutschen schon fast ein Weichspüler. Aber auch er münzt die erfolgreiche Nazi-Jägerin um in eine Jägerin “nach Anerkennung”. Und auch er errichtet eine Mauer zwischen der LINKEN und Klarsfeld: “Es gibt nicht allzu viele Gemeinsamkeiten zwischen ihr und der Linken.” Was das anbelangt, wäre Denkler sogar bei Broder fündig geworden, wie oben zitiert. Denkler bedient sich dabei der bekannten, vermeintlichen Israelfeindlichkeit der LINKEN auf der einen Seite und der “glühenden Verfechterin des Staates Israel” auf der anderen Seite. Dazu stellt Denkler erstaunt fest: “Das aber interessiert sie (Beate Klarsfeld, T.H.) verblüffenderweise gar nicht.” Ja, vielleicht verwechselt Klarsfeld ja auch nicht Kritik an der israelischen Regierung mit “antiisraelischen bis antisemitischen Stimmen”, wie es Denkler unhinterfragt unterstellt. Sonst hätte er Klarsfeld Gelassenheit in dieser Frage vielleicht nicht “verblüffend” gefunden, sondern zum Anlass genommen, einmal genauer hinzuschauen.

Und dann legt auch Denkler richtig los:

“Klarsfeld geht es nicht um Politik. Ihr ist auch egal, dass die Partei, vor deren Karren sie sich spannen lässt, vom Verfassungsschutz beobachtet wird: ´Ich wurde mein Leben lang beobachtet, na und?”

Auch das ein Armutszeugnis für den Journalismus so genannter Qualitätsmedien. Weder findet Denkler einen Nachweis für seine Unterstellung, dass es Klarsfeld nicht um Politik ginge, noch ist er sich zu schade, die fragwürdige “Verfassungsschutz-Nummer” unhinterfragt gegen Klarsfeld und DIE LINKE zu instrumentalisieren.


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