Exklusiv: Warum sich die Justizministerin so für Steuerhinterzieher stark macht

All überall auf den Nachrichtenkanälen und in den einschlägigen Medien wird heute darüber berichtet, dass sich die Bundesjustizministerin, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, für ein Gesetz gegen den Ankauf weiterer CDs mit Daten über Steuerflüchtlinge stark macht.

Die Aufregung ist groß. Komischerweise besonders aus Kreisen konservativer SPD-Politiker wie dem jetzigen Kieler Ministerpräsidenten Torsten Albig, früher Pressesprecher des damaligen Finanz(marktliberalisierungs)- und Spitzensteuersenkungsministers Peer Steinbrück, oder dem “Finanzexperten” der SPD, der natürlich keiner ist, aber immerhin stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poß, oder dem SPD-Haushaltsexperten, der natürlich ebenfalls keiner ist, aber sicherlich das Zeug zum ordentlichen Buchhalter hätte, Carsten Schneider, der sich im Deutschlandfunk zu Wort meldete (“die Ministerin mache sich zum Handlanger von Steuerhinterziehern in der Schweiz”) oder Fraktionsgeschäftsführer, Thomas Oppermann, oder wie sie sonst noch so alle in der SPD heißen, die sich, über welche verschlungenen und sumpfigen Wege auch immer, wichtige, wichtige Funktionen erkämpft haben und sich nicht wenig darauf einbilden – wenn auch völlig grundlos: Haben sie doch allesamt von 1998 bis 2009 regiert, in dieser Zeit die wildesten Spitzensteuer- und Unternehmenssteuersenkungen und Kapitalmarktliberalisierungen zugelassen und außer einem äußerst primitiven, überheblichen Vorstoß Steinbrücks als Finanzminister (Sie erinnnern sich, die Kavallerie) in jenen Jahren nichts gegen Steuerhinterziehung unternommen – außer dass man sagen könnte: Bei den Steuergeschenken der SPD an sehr gut Verdienende und Vermögende, müssen die ihr Geld nun wirklich nicht noch länger außer Landes tragen. Aber wie heißt es so schön: Einige können den Hals nun einmal nicht voll kriegen.

Warum will LS (Leutheusser-Schnarrenberger) aber nun gegen den Kauf von CDs mit Daten über Steuerflüchtlinge per Gesetz vorgehen, bei dem sich, in diesem Fall durchaus glaubwürdig, der niedersächsische Finanzminister, Norbert Walter-Borjans (SPD), besonders hervorgetan hat? Keine der berichtenden Medien hat diese Frage gestellt oder ist dieser gar nachgegangen.

Als ich die Nachricht heute früh im Deutschlandfunk hörte, fragte ich mich unwillkürlich: Wo hat LS denn ihren Wahlkreis? Jetzt erst komme ich leider dazu nachzuschauen. Und siehe da: Unter der Überschrift “Abgeordnetentätigkeit” finden sich bei Wikipedia diese Angaben:

Abgeordnetentätigkeit

Leutheusser-Schnarrenberger ist seit den bayerischen Kommunalwahlen von 2002 Mitglied des Kreistages Starnberg.

Seit 1990 ist sie auch Mitglied des Deutschen Bundestages. Hierfür tritt sie im Wahlkreis Starnberg an, ist aber stets über die Landesliste Bayern in den Deutschen Bundestag eingezogen, 2002 führte sie die Landesliste an. Auch bei der vorgezogenen Bundestagswahl am 18. September 2005 wurde sie als Spitzenkandidatin der Landesliste in den Bundestag gewählt.”

Landesliste hin oder her: “Nirgendwo in Deutschland leben mehr Millionäre als am Starnberger See. Der Staat, das sind sie – auch der Bürgermeister fürchtet ihre Anwälte. Besuch bei der Oberschicht, die lebt, wie es ihr gefällt”, heißt es in einem Artikel der Wochenzeitung Die Zeit aus dem Jahre 2006 von Stephan Lebert, der mit “Die Starnberger Republik” überschrieben ist. Nirgendwo in unserer Republik leben so viele Millionäre auf einem Fleck. Nun gut, Millionäre sind natürlich nicht mit Steuerhinterziehern gleichzusetzen. Oder doch? Über die Starnberger Seegemeinde Tutzing ist jedenfalls bei Stephan Lebert zu lesen:

Von den Bürgern in Tutzing gehen so viele Widersprüche gegen ihre Steuerbescheide ein wie aus 13 bayerischen Landkreisen zusammen.

Und:

Es spielt keine Rolle, ob ein Bürger 30000 Euro im Jahr verdient oder drei Millionen – bei der Stadt landet immer der gleiche schmale Anteil von der Steuer. So ist es zu erklären, dass das wunderschöne, fabrikfreie Tutzing seit Jahren etwas bekommt, das man ´Sozialhilfe für Städte´ nennt. Notgroschen, der große Staat muss dem kleinen Staat helfen.

Und:

In private Stiftungen stecken die Bürger vom See ihr Geld, viel Geld sogar, das viel Gutes bewirkt, aber für den Staat haben sie nichts übrig.

Warum also sollte es LS besser (er)gehen als dem Bürgermeister von Tutzing, der da verlauten lässt: “Nein, denken Sie bloß nicht, dass ich die Millionäre hasse. Ich bin ja, also ja selber Millionär´, und er tastet lange nach einem möglichen Satzende, ´weil ich in ihrer Nähe leben darf.” Ist LS doch selbst am Starnberger See zu Hause, wenn auch in Feldafing, früher beliebter Aufenthaltsort der österreichischen Kaiserin Sisi. Und Kaiserinnen und Kaiser haben schließlich auch keine Steuern gezahlt, sondern von ihnen gelebt. Insofern stünde LS in einer für viele (Millionäre) ehrwürdigen Tradition.

Also, was regen Sie sich eigentlich so auf. Da macht einmal eine Ministerin Politik im Interesse ihrer Wähler und es ist auch wieder nicht recht. Ach so, Millionäre sind immer noch eine verschwindende Minderheit in der Bevölkerung, meinen Sie, und LS sei doch immerhin Bundesjustizministerin. Nun gut, da haben sie auch wieder recht.

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