Wahlbenachrichtung/Bundestagswahl: Von der Berliner Verwaltung für 7,50 Stundenlohn mit der PIN AG zugestellt

Die SPD fordert einen Mindestlohn von 8,50. Dass der nicht vorn noch hinten reicht, haben wir desöfteren schon aufgezeigt. Gestern nun erhielt ich mit einer Briefsendung meine Wahlbenachrichtigung in Berlin zugestellt. Regiert wird Berlin seit 2001 von Bürgermeister und Landesvater Klaus Wowereit (SPD). Da hat es mich natürlich interessiert, wieviel der SPD denn die Zustellung der Wahlbenachrichtigung wert ist, genauer: wieviel ihr der Postzusteller, formal korrekt “Fachmann/Fachfrau für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen”, altmodisch Postbote und dessen Arbeit denn wert ist? Zumal auf dem Briefumschlag ganz groß der Stempel der Pin Mail AG prangte. Da war doch mal etwas, oder nicht? Richtig, die Pin Mail AG hatte sich vor einigen Jahren mit Händen und Füßen gegen einen allgemeinen Mindestlohn für Postdienste gewehrt. Damals, 2007, vor sechs Jahren also, hatten die Gewerkschaft ver.di und der Arbeitgeberverband Postdienste einen Tarifvertrag über einen Mindestlohn von 9,80 Euro je Stunde für das Ausliefern von Briefsendungen abgeschlossen.

Auszug aus dem 2007 zwischen ver.di und dem Arbeitgeberverband Postdienste vereinbarten Tarifvertrag mit Angaben zu Mindestlöhnen für das Ausliefern von Briefsendungen. Zur Vergrößerung auf Bild klicken.

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Wirtschaft und Gesellschaft hat jetzt auch eine und freut sich über jedes “Gefällt mir”.

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Man findet heutzutage zwar vieles im Internet, nicht aber, welchen Mindeststundenlohn die Berliner Verwaltung aktuell nach ihrer Vergaberichtlinie für Postdienstleistungen zahlt. Zumindest ist mir das nicht gelungen. Aber zum Glück gibt es ja das Landesverwaltungsamt, auf das ich immerhin bei meiner Suche stieß, noch dazu mit einer Übersicht mit Ansprechpartnern, darunter auch eine Ansprechperson für Postdienste. Ein Griff zum Telefon und – niemand geht ran. Und nun werden Sie, geneigte Leserinnen und Leser, vielleicht denken: Klar, Verwaltung! Doch weit gefehlt. Schon wenige Minuten später erhielt ich einen Rückruf. Am anderen Ende der Leitung ein gut informierter und hoffentlich gut bezahlter und verbeamteter Angestellter. Bereitwillig und präzise erklärte dieser mir, dass immer noch der Ende 2010 vereinbarte Mindeststundenlohn von 7,50 Euro gelte, zu dem die Pin Mail AG damals den Zuschlag bekam. Und nun halten Sie sich fest: Erst Ende 2014 wird es eine neue Vergaberichtlinie für Postdienstleistungen geben, in der 8,50 Euro vorgesehen sind.

Das SPD-regierte Berlin, das in der so genannten heißen Wahlkampfphase Wählerinnen und Wähler für einen ohnehin knauserigen Mindestlohn von 8,50 Euro zu begeistern sucht, lässt also denselben Wählerinnen und Wählern deren Wahlbenachrichtigung für einen Mindeststundenlohn von 7,50 Euro zustellen.

Für die Pin Mail AG ist indes ebenfalls klar, dass man Mitarbeiter nicht mit Löhnen motiviert sondern, die sollen doch gefälligst froh sein, dass sie einen Arbeitsplatz erhalten. So heißt es in ihrer Selbstbeschreibung:

“Unsere Mitarbeiter sind unsere Stärke. Wir motivieren Mitarbeiter, indem wir umfassend ausbilden und neue Arbeitsplätze schaffen. Denn motivierte Menschen handeln aufmerksamer. Die Zahlen geben uns Recht: Eine Rückläuferquote von unter 2 % und eine Reklamationsquote von weniger als 0,03 % sprechen für sich.”

Ob sich Wowereit das einmal durchgelesen hat, und wenn, ist es ihm aufgefallen oder gar aufgestoßen? Ich glaube nicht. Aber eine gewisse Orientierung für die anstehende Bundestagswahl gibt mir das alles schon!


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