Olaf Scholz/Hannelore Kraft/SPD/Bundestagswahlkampf und danach: Nach der Wahl ist vor der Wahl – der “Nachwuchs” ist grottig und rechts

Olaf Scholz, derzeit (zu seiner Vorgeschichte gleich mehr) mit absoluter Mehrheit regierender Bürgermeister von Hamburg, Landesvorsitzender der SPD Hamburg und stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender, vereinnahmt zu Unrecht: “Und alle wissen, dass Deutschland auch wegen der Reformen des sozialdemokratischen Kanzlers Schröder gut dasteht”, sagte er der Welt am Sonntag. Wer aber ist “alle”? Wenn es ein mir unbekannter Name wäre, hätte Die Welt am Sonntag alle doch sicherlich groß geschrieben; und Scholz hätte “und Alle weiß” gesagt. Wenn es sich aber nicht um einen Fehler grammatikalischer Natur handelt, kann es sich nur um Ignoranz handeln. Und in der Tat scheint Scholz genau darin Meister. Er steht damit in der SPD beileibe nicht allein.

Als Generalsekretär der SPD im Deutschen Bundestag war Scholz maßgeblich mit verantwortlich für die Durchsetzung der Agenda 2010. Er selbst empfand sich in dieser Funktion “wirklich als Offizier“. Als Arbeitsminister unter Merkel hat er dann auch noch die Rente mit 67 durchgesetzt. Weit vorher, 2001, hat Scholz als Hamburger Innensenator die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln zur Beweissicherung bei Drogendealern eingeführt. Er hielt auch daran fest, als ein Drogendealer im Dezember 2001 an den Folgen des Brechmitteleinsatzes starb und hat, nach seinen eigenen Worten zu urteilen, die Verantwortung dafür auf die Polizeibeamten geschoben:

“Ich möchte die Gelegenheit benutzen, Ihnen hier zu sagen: Ich halte diese Entscheidung nach wie vor für richtig. Ich sage das trotz des tragischen Todes, den einer dieser Drogenhändler im Zusammenhang mit der Vergabe eines Brechmittels erlitten hat. Dieser Tod hat uns deutlich gemacht, dass die Entscheidungen, die die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, aber auch die politische Führung in diesen Fragen zu treffen haben, eine große Verantwortung bedeuten. Manches, was ich in der Nachfolge gehört habe, hat nicht den im Rechtsstaat angemessenen Respekt vor dem Leben eines anderen Menschen zum Ausdruck gebracht. Das bedaure ich.  Denn ich finde, dass es möglich ist, den Tod dieses Menschen zu bedauern und trotzdem für richtig zu halten, dass es bei diesen Einsätzen bleibt.”

Was sollte so einen davon abhalten, auch nach der für die SPD verheerenden Wahlniederlage im Bund 2009, für die Scholz als “Offizier” für Schröder und Merkel maßgeblich verantwortlich zeichnet, alle dafür zu vereinnahmen, Schröders asoziale Politik damit in Verbindung zu bringen, dass es Deutschland gut geht und darüber hinaus zu ignorieren, dass es Millionen Menschen eben wegen der von Scholz praktizierten Politik sehr schlecht geht? Nichts und niemand. Wer aber so absolute  Mehrheiten (alle) schafft, hat Sinn und Zweck der Demokratie nicht nur nicht verstanden, sondern stellt eben deswegen eine Gefahr für sie dar. Irgendwie klar, dass Die Welt am Sonntag diese skandalöse Aussage nicht hinterfragt. Für sie “pflegt Scholz vielmehr das hanseatische Understatement“. Mehr Boulevard geht nicht. Recht dürfte Die Welt am Sonntag aber damit haben, dass Scholz sich schon mal als zukünftiger Kanzlerkandidat warm läuft. Und zwar ohne Mithilfe der Linken. Rot-rot-grün hat für Scholz “keine Perspektive”.

Doch ist Scholz nicht der einzige Kandidat, der dafür spricht, dass der Nachwuchs der SPD grottig ist, rechts steht und nach der Bundestagswahl vor der Bundestagswahl ist: “Scholz, der in Hamburg mit absoluter Mehrheit regiert, gilt als Kritiker Gabriels – ähnlich wie NRW-Ministerpräsidentin Kraft, Generalsekretärin Andrea Nahles und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier”, hält Die Welt am Sonntag ebenda fest.

Das vielleicht größte Problem dabei: Dass Gabriel tatsächlich Kritik verdient und sich nun über Jahre schon als Politiker als komplett unfähig erwiesen hat; als SPD-Chef ist es ihm darüber hinaus nicht gelungen, die Partei nach der Wahlniederlage 2009 wirklich neu aufzustellen. Was letzteres anbelangt ist Gabriel der politische Potemkin schlechthin: alles nur Fassade. Ist er doch selbst nach wie vor einer der größten Anhänger und Verteidiger der Agenda 2010, der über ein paar soziale Feigenblätter hinaus nichts zustande gebracht hat. In vier Jahren! Zu Andrea Nahles und Frank-Walter Steinmeier muss man nichts weiter sagen. Wenn jemand nach den Schuldigen für Politikverdrossenheit sucht, schaue er auf diese Gestalten und ihr Verhalten. Wir haben diese häufig genug an anderer Stelle thematisiert.

Was aber ist mit Hannelore Kraft, der von den einschlägigen Medien hochgeschriebenen Ministerpräsidentin und Landeschefin von Nordrhein-Westfalen? Es mag den einen oder anderen überraschen, aber auch sie steht rechts, und an ihren eigenen Aussagen gemessen kommt sie auch nicht über das Urteil grottig an dieser Stelle hinaus (siehe hierzu auch: Darum ist Hannelore Kraft keine Alternative zu Peer Steinbrück mit Verweisen zu weiterführenden Artikeln). Ein entsprechender Bericht zu Hannelore Kraft auf ähnlichem Niveau wie der von der Welt am Sonntag zu Olaf Scholz brachte zuletzt der Deutschlandfunk vor drei Tagen: Der Ruf nach Berlin, Die SPD-Hoffnungsträgerin Hannelore Kraft. Wer sich nicht für Hannelore Kraft interessiert, aber für Gefälligkeitsjournalismus, dem sei jener Beitrag dennoch empfohlen. An anderer Stelle, ebenfalls erst vor wenigen Tagen, kam Kraft im Rahmen eines Wahlkampfeinsatzes in Bayern zu Wort. Gleich mehrfach bemühte sie dort den “vorsorgenden Sozialstaat”. Damit outet sich Kraft einmal mehr als Anhängerin der Agenda 2010 und des damit verbundenen Sozialabbaus. Denn dieser Begriff wurde im Gefolge dieser Politik von der SPD “erfunden”, um dennoch sozial bei den Wählerinnen und Wählern zu punkten, was man gemeinhin als Volksverdummung bezeichnet. Wie brachte es der jetzige Kanzlerkandidat der SPD bereits 2003 unter der Überschrift “Etwas mehr Dynamik bitte” eiskalt auf den Punkt: “Soziale Gerechtigkeit heißt heute: Der Staat muss mehr Geld in Bildung und Familien investieren. Für Gesundheit, Alter und Pflege hingegen werden die Bürger stärker selbst vorsorgen müssen” (in: Die Zeit v. 13.11.2003). Wer also im vorsorgenden Sozialstaat vorsorgen soll, wird da recht deutlich. Eine hervorragende Zusammenfassung dieses vorsorgenden Sozialstaatsprinzips der SPD findet sich auf den NachDenkSeiten, auf denen Wolfgang Lieb in seinem Beitrag hierzu u.a. festhält: “Deutlicher als das Hamburger SPD-Programm stellen Matthias Platzeck, Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier, prominente Vertreter des rechten Parteiflügels, zwei Sicherungsmodelle gegenüber: ´Der überkommene Sozialstaat, der allzu oft ‚reparierend‘ erst dann eingreift, wenn soziale Schadenfälle wie chronische Krankheit, Bildungsmangel oder langfristige Arbeitslosigkeit schon eingetreten sind, ist nicht mehr auf der Höhe unserer Zeit – und er gerät unter dem Druck von Demografie und hoher Staatsverschuldung auch an die Grenzen seiner Finanzierbarkeit. Effizienter und zugleich sozial gerechter ist der vorsorgende Sozialstaat, der in die Menschen, in Bildung, Qualifikation, Gesundheit, Lebenschancen und soziale Infrastruktur investiert.“ ().

Wer nun meint, die so genannten Linken in der SPD könnten dieser geballten Kraft von rechts etwas entgegenhalten, der sei versichert, dass deren individuelles Verhalten, wie deren Abstimmungsverhalten im Deutschen Bundestag und deren Politik auch auf Landesebene dazu leider so gar keinen Anlass geben (vergleiche hierzu: 40 Jahre AfA/SPD/DGB: Arbeitnehmerflügel der SPD lädt nach “Intervention” von DGB-Chef Sommer Ursula Engelen-Kefer aus, Die Gedächtnislücke – wie Politiker im Bundestag abstimmen und wie sie sich nach außen darstellen, Teilprivatisierung der Rente/SPD – sie haben alle dafür gestimmt, Wahlbenachrichtigung/Bundestagswahl: Von der Berliner Verwaltung für 7,50 Stundenlohn mit der PIN AG zugestellt, Berlin hat unter Wowereit trotz Millionenförderung vom Bund zwischen 2009 und 2011 keine einzige Sozialwohnung mit Bundesförderung gebaut).

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