Konjunktur/Deutschland: Bundesregierung sieht trotz schwacher Konjunktur und unsicherer Aussichten keinen Handlungsbedarf

Die deutsche Konjunktur kennt seit Mai des laufenden Jahres keine klare Tendenz. Die im Mai vergangenen Jahres begonnene Aufwärtsbewegung ist seitdem unterbrochen. Diese Entwicklung setzt sich auch bis in den September hinein fort. Das konnten wir dank unserer Berechnungen zur Spannungszahl nach der Methode des ehemaligen Mitglieds des Sachverständigenrats Claus Köhler bereits Ende des vergangenen Monats feststellen. Die jüngsten Ergebnisse des Statistischen Bundesamts für die und die Produktion im Produzierenden Gewerbe bestätigen diese Entwicklung. Wir hatten in unserer jüngsten Konjunktureinschätzung für Deutschland Ende September hieraus auch wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen gezogen.

“Beides, die Unsicherheit über den weiteren Konjunkturverlauf und das unangemessene Wirtschaftswachstum, könnte der Bundesregierung als wirtschaftspolitische Handlungsgrundlage dienen. So könnte sie, um einer Rezession vorzubeugen bzw. um ein angemessenes Wirtschaftswachstum zu sichern, Infrastrukturinvestitionen vorziehen bzw. erhöhen. Weder die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, noch der Bundeswirtschaftsminister haben sich zum jetzigen Zeitpunkt zu den jüngsten Arbeitsmarktzahlen geäußert. Auch den Bundesfinanzminister, der sich bis zuletzt auf die Haushaltskonsolidierung hier und in der Europäischen Währungsunion konzentriert hat, müssten die Arbeitsmarktzahlen und der aus ihnen ablesbare, unsichere Konjunkturverlauf alarmieren.

Die wirtschaftspolitische Schwerpunktsetzung, die auch das höchste wirtschaftspolitische Beratungsgremium, der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, erst vor wenigen Tagen durch eines seiner Mitglieder ein weiteres Mal zum Ausdruck gebracht hat (siehe dazu hier), lässt befürchten, dass Bundesregierung und Sachverständige einem möglichen Konjunkturabschwung nicht durch entsprechende wirtschaftspolitische Maßnahmen, wie das Vorziehen und die Erhöhung von Infrastrukturinvestitionen, vorbeugen werden.”

Die jüngsten Pressemitteilungen aus dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bestätigen diese Skepsis. Zwar stellt heute auch das Bundeswirtschaftsministerium fest: “Insgesamt ist für das gesamte dritte Quartal mit einer schwachen Produktion zu rechnen.” Eine wirtschaftspolitische Reaktion darauf bleibt jedoch aus.

Noch deutlicher drückte diese abwartende Haltung zuletzt die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles aus, die die Ende September veröffentlichten Arbeitsmarktzahlen mit den Worten kommentierte: “Die sich auch in Deutschland leicht eintrübende Konjunktur und die besorgniserregende internationale Großwetterlage stellen für unseren Arbeitsmarkt möglicherweise zukünftig eine Herausforderung dar. Derzeit trotzt der Arbeitsmarkt diesen Entwicklungen – er ist eine starke Stütze der deutschen Wirtschaft.”

Die Überschrift, unter der die Bundesarbeitsministerin ihren Kommentar veröffentlichte, drückt dabei ein großes Missverständnis über den wohl zentralsten Konjunkturzusammenhang aus. Sie lautet: “Arbeitsmarkt ist Stütze der deutschen Wirtschaft” (siehe dazu auch die kritischen Anmerkungen zu ähnlich gelagerten Aussagen des Chefs der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, ). Es verhält sich jedoch umgekehrt: Die Entwicklung der deutschen Wirtschaft entscheidet über die Entwicklung am Arbeitsmarkt. Denn nur, wenn die Zuwachsrate des realen Bruttoinlandsprodukts über der des potenziellen Bruttoinlandsprodukts liegt, ist das Wachstum angemessen, um mehr Menschen als bisher zu beschäftigen. Liegt das reale Wachstum unter dem potenziellen Wachstum, muss die Arbeitslosigkeit zunehmen. Wir haben dies zuletzt Anfang September anlässlich der Zahlen aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung für das zweite Quartal genauer untersucht (siehe dazu hier [vollständiger Beitrag nur im Abonnement]).

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