Deutscher Exportüberschuss auf Rekordhöhe: Und Steinbrück sorgt sich um “Lohnzusatzkosten”

Gestern hat sich Wirtschaft und Gesellschaft noch mit Peer Steinbrücks Aussagen zu “Lohnzusatzkosten” und zur deutschen Wettbewerbsfähigkeit kritisch auseinandergesetzt. Heute ist in der Financial Times Deutschland zu lesen: “Der Überschuss in der Leistungsbilanz wird in diesem Jahr in US-Dollar gerechnet größer ausfallen als in jedem anderen Land der Welt.” In diesem Zusammenhang haben wir auch, anders als Steinbrück, die schwache deutsche Binnenkonjunktur benannt, zu der der Chefökonom der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung, Heiner Flassbeck, erst am Freitag in einem Gespräch mit Wirtschaft und Gesellschaft darauf hinwies:

“Europa muss zunächst zurück auf einen Wachstumspfad. Ganz Europa ist jetzt in der Rezession, Deutschland eingeschlossen. Und in der Rezession kann man weder Staatshaushalte sanieren, noch sonst etwas Vernünftiges erreichen. Deswegen muss Europa zunächst raus aus der Rezession. Und das geht angesichts der Situation, in der wir uns befinden, nur, wenn die Überschussländer ihre Inlandsnachfrage anregen. In Deutschland ist die Inlandsnachfrage immer noch so flach wie ein Brett, da tut sich überhaupt nichts. Auch dies entgegen der Meldungen in den Medien, die doch tatsächlich über einen Konsumrausch in Deutschland schreiben. Daher muss die deutsche Binnennachfrage angeregt werden. Das geht nur, wenn man staatliche Anregungsprogramme auflegt oder dafür sorgt, dass die Löhne steigen. Die deutschen Unternehmen haben einen Gewinnboom ohnegleichen hinter sich und vertragen ohne weiteres höhere Löhne. Die Gewerkschaften aber können sie nicht durchsetzen, weil sie zu schwach sind. Die Löhne steigen zwar jetzt etwas mehr als im Vorjahr, aber das ist immer noch lächerlich. Und das muss über zehn, fünfzehn Jahre durchgehalten werden. Deutschland hat mit seinem „Gürtel enger schnallen“ über zehn, fünfzehn Jahre das Problem produziert, jetzt muss es das Umgekehrte tun. Man muss im Leben immer Ursachentherapie anwenden, wenn man wirklich raus will aus der Misere.”

Eine politische Alternative, die diese Zusammenhänge nicht ins Zentrum ihrer Politik rückt, ist keine. Schlimmer noch ist es, wie Steinbrück, darauf zu zielen, mit der Thematisierung der leidigen “Lohnzusatzkosten” die Krise zu verschärfen, oder, wie Gabriel und Steinmeier es tun, das Problem gänzlich ausklammern.

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