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Steinbrücks erste Personalien: Rückwärts Genossen!

Rufen wir uns zunächst den Bundesparteitag der SPD im vergangenen Jahr ins Gedächtnis und zitieren den SPD-Parteivorsitzenden, Sigmar Gabriel:

Mit dem heutigen Bundesparteitag schließen wir unsere politische Neuausrichtung ab,” leitete Sigmar Gabriel seine Rede ein. Und:

“Die Namen, die für all das stehen, was unser Land gut durch die Krise gebracht hat, sind sozialdemokratische Namen: Gerhard Schröder, Franz Müntefering, Frank Walter Steinmeier, Peer Steinbrück, Olaf Scholz und viele andere. Herzlichen Dank an die, die das geschafft haben für unser Land, Genossinnen und Genossen.

Unsere Bewertung seiner Rede damals, am 5. Dezember 2011:

“Damit hat Sigmar Gabriel – freilich ganz anders als von ihm beabsichtigt – Klarheit geschaffen: Eine Neuausrichtung der SPD wird es so schnell nicht geben.”

Vor diesem Hintergrund ist nicht nur die Kür Peer Steinbrücks die konsequente Fortsetzung einer nicht stattgefundenen Neuausrichtung der SPD, sondern sind es auch die jetzt bekannt gewordenen, ersten Hinweise auf dessen Personalentscheidungen.

Sprecher von Steinbrück soll laut Medienberichten Michael Donnermeyer werden. Über den erfährt man, dass er “unter anderem persönlicher Referent des damaligen Kanzleramtschefs Frank-Walter Steinmeier” war. Doch damit nicht genug. Derzeit ist er “Geschäftsführer des Informationszentrums Klima, das sich als Kommunikationsplattform großer Energiekonzerne wie RWE, Eon und Vattenfall für die Verbreitung der CCS-Technik einsetzt, also der Abscheidung und unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid.” Damit ist er – vorsicht Ironie – nun wirklich nicht allein zukunftsweisend für die weitere Ausrichtung der Sozial- und Wirtschaftspolitik unter Steinbrück, sondern auch für die umweltpolitische Orientierung und die enge Umarmung mit den Großkonzernen der Energiebranche; der einzige erkennbare Unterschied vielleicht: Während Schröder nach seiner Kanzlerschaft zu einem Energieriesen wechselte, geht Donnermeyer den umgekehrten Weg. Und noch etwas verbindet Donnermeyer mit dem SPD-Altkanzler: “Donnermeyer war 1998 maßgeblich am erfolgreichen Wahlkampf des SPD-Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder beteiligt. Zusammen mit dem heutigen Thüringer Wirtschaftsminister Matthias Machnig und dem heutigen Kommunikations- und Strategieberater Kajo Wasserhövel organisierte er unter dem damaligen SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering die sogenannte Kampa. Nach dem Erfolg der SPD bei der Bundestagswahl am 27. September 1998 wurde Schröder Chef der ersten rot-grünen Regierung auf Bundesebene.” Transparenter – um ein neues Lieblingswort des SPD-Kanzlerkandidaten aufzugreifen – kann sich der Kreis von Steinbrück zu Schröder nun wirklich nicht schließen. Rückwärts Genossen!

Und auch die zweite in den Medien kursierende Personalie Steinbrücks ist auf Linie: Heiko Geue soll den Wahlkampf Steinbrücks managen. Über den schreibt einer, der es wissen muss: “Schröder-Fan Geue will Steinbrück zur Macht bringen. Heiko Geue war Architekt der Agenda 2010…” Geue war laut derselben Quelle unter Kanzler Schröder Chef der Politischen Planung im Kanzleramt. Und, glaubt man Daniel Friedrich Sturm, ist die ehemals große “alte Tante” SPD nun schon für geraume Zeit eine richtig kuschelige kleine neoli(e)berale Familie: “Mit der Berufung Geues hat Steinbrück einen Urheber der Agenda 2010 in seinen engsten Machtzirkel gelotst. Geue, der mit Sonja Stötzel zusammenlebt, die bislang Steinbrücks Büro im Bundestag leitet, hatte einst als Mitarbeiter von Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier die ersten Entwürfe für die Reformpolitik von Bundeskanzler Schröder entworfen.”

Und wie radikal Geue damals die Abrissbirne gegen den Sozialstaat schwang, zeichnet Daniel Friedrich Sturm ebenfalls ebenso genau wie unkritisch nach. Das deckt sich eins zu eins mit dem erst vor wenigen Tagen wieder hervorgeholten Jahresgutachten des Sachverständigenrates 1999 – nur das Geue erst so richtig 2002 zur Tat schritt. Sturm fasst dessen Papiere wie folgt zusammen:

“Kurzum: Schröder, Steinmeier und Geue verließen den Trampelpfad der bisherigen Politik. Sie waren überzeugt, dass die angespannte Lage weder durch mehr Geld noch durch höhere Alimentierungen zu bewältigen sei. Sie wollten Strukturreformen.

Geues Papier wurde mehrfach überarbeitet, etliche Fassungen kamen in Umlauf. Das Willy-Brandt-Haus war bei alldem nicht eingebunden. Das ´Kanzleramtspapier´ wurde zur Grundlage von Schröders Agenda 2010.”

Da ist es ja schon fast links, 2013 Merkel zu wählen. Ob sich die SPD-Linke jetzt wohl die Augen reibt? Vielleicht hält Klaus Barthel Steinbrück ja tatsächlich immer noch für lernfähig! Man kann es drehen und wenden wie man will, ob nach rechts oder nach links, das alles klingt nach einem weiteren Satz des sozialdemokratischen Requiems, das mit der Agenda 2010 eingeläutet wurde.

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