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Aktuelle Nachrichten und Hintergrund: Bilfinger-Vorstandschef Koch malt schwarz bei Strompreisen für Industrie – Strompreisstatistik ergibt gegenteiliges Bild

Gestern erst hat Wirtschaft und Gesellschaft die deutschen Strompreise im internationalen Vergleich untersucht. Heute malt der Vorstandsvorsitzende des Baukonzerns Bilfinger und ehemalige hessische Ministerpräsident (CDU), Roland Koch, im Interview der Woche mit dem Deutschlandfunk schwarz: Die Politik müsse den Anstieg der Strompreise für die Industrie begrenzen, meldet der Deutschlandfunk schon vor Ausstrahlung des Interviews in seinen 9 Uhr Nachrichten:

“Wenn die Industrie dieselben hohen Strompreise zahlen müsste wie der Verbraucher, hätte sie im internationalen Wettbewerb keine Chance, sagte Koch im Interview der Woche des Deutschlandfunks. Dann könnte sie in bestimmten Teilen Deutschlands nicht mehr produzieren. Deshalb müsse die Politik den Anstieg der Stromkosten für die Unternehmen begrenzen.”

Die Daten des Europäischen Amts für Statistik, Eurostat, besagen allerdings Gegenteiliges: Die Strompreise für die deutsche Industrie liegen deutlich unter dem Durchschnitt des Euroraums. Auch ist der Abstand zwischen den Strompreisen für private Haushalte und die Industrie besonders hoch und liegt nur noch in Belgien darüber. Das stützt die These, dass deutsche Verbraucher für die Industrie mitbezahlen.

Folgt jetzt dem mit Drohungen über Produktionsverlagerungen ins Ausland ausgetragenen Lohndumping das industrielle Strompreisdumping? Es klingt fast danach. Köstlich auch, dass das der Chef eines international tätigen Baukonzerns sagt – “vom Krankenhaus bis zur Raffinerie” -, der natürlich weltweit immer zu Strompreisen vor Ort produziert. Vielleicht erklärt dem ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten und heutigen Bilfinger- Vorstandsvorsitzenden einmal jemand, das Raffinerie sich nicht von Raffgier herleitet – auch nicht von Raffiniertheit, die der Duden mit Durchtrieben- und Gerissenheit übersetzt.

Koch jedenfalls scheint sich treu zu bleiben, sagte er doch bereits im Interview mit dem Deutschlandfunk am 11. Februar 2000, damals noch hessischer Ministerpräsident, dass er Journalisten “unvollständig informiert” habe. Der Deutschlandfunk überschrieb das Interview mit Koch damals mit: “Eine Riesendummheit, aber keine Lüge?”

Hintergrund und Graphiken zum internationalen Vergleich von Strompreisen für private Haushalte und die Industrie hier:

Strompreise und Energiewende: Der Lohn entscheidet mit

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